Volltext: Tizian (Bd. 1)

CAD 
VIII. 
PARIS 
BORDONE. 
E 
Technik, in der er hier arbeitete, Tiziairs künstlerische Kraft 
schwächte. Die Farbe kommt nicht zu ihrer sonstigen Wirkung 
und er bringt nur einen gewöhnlichen Fischer zur Erscheinung, 
der mühsam gegen die Strömung ankämpft. Die Gestalt ist ge- 
drangen und massiv, ihre Theile in übertrieben gedehnten Bogen- 
linien ausgeprägt und die Verbindung der Gliedmaassen drängt 
sich trotz ihrer korrekten Zeichnung zu sehr auf; die augen- 
blickliche Willensäusserung geht in einer Kraft-Pose verloren, die 
ein Modell wohl ohne zu grosse Anstrengung eine Zeit lang aus- 
zuhalten vermochte. Mit ai1' seinen Fehlern aber ist unser Fresko 
doch das Werk eines Meisters, dessen Einiiuss in der Folge grosse 
Talente zeitigte. Es gehört unseres Erachtens zu den Mustern, 
welchen Paolo Veronese in erster Linie seine Aufmerksamkeit zu- 
wandte und das wahrscheinlich auch Paris Bordone und Lotto 
gründlich studierten. Ja vielleicht ist eben damals und hierdurch 
das gegenseitige Lehrer- und Schülerverhältniss zwischen den ge- 
nannten Meistern entstanden. 
Wir sahen Tizian in Padua und Vicenza in Gemeinschaft mit 
Campagnola arbeiten, noch später malte er in der Halle des 
Grossen Rathes mit Lodovico di Giovanni und Antonio Buxei zu- 
sammen. Von jener Zeit an nun werden die Namen seiner Ge- 
hilfen von dem seinigen verdunkelt. Freilich sollte Paris Bordone 
bald einen wichtigen Platz in der venezianischen Kunst einnehmen 
und höchst wahrscheinlich begann er in dieser Zeit der aufsteigen- 
den Generation venezianischer Künstler zugezählt zu werden. Im 
Jahre 1500 zu Treviso geboren, kam Paris schon sehr jung nach 
Venedig, wurde in Tizian's Schule gebildet und zeigte früh seine 
ausgesprochene Vorliebe für die realistische Auffassung. Während 
aber der Realismus bei Tizian nie das Uebergewicht erlangte, 
drängte er sich bei Bordone bald unangenehm vor, und wenn- 
schon er gelegentlich, wie z. B. in der Darstellung des Fischers, der 
dem Dogen den Ring zurückbringt, ein Meisterstück zu schaffen 
verstand, verfiel er doch viel häufiger in äusserliches Nach- 
 
 
Töne 
sodass Licht und Dunkel zur Wirkung kommen; hier und da durch kalte 
gebrochen; vgl. darüber Ridolü I. S. 216. Originalphotographie von Naya.
	        
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