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TIZIAN
UND
GONZAGA.
DIE
VIII.
schon die Aufmerksamkeit heraus. Selbst dem ungeübtesten Auge
muss es klar sein, dass Tizian, so gross er in der Oelnialerei
war, sich in der Freskoteehnik ausserhalb seines Elementes be-
fand. Er enttäuscht unsere Erwartungen, nicht weil seine Zeich-
nungsweise schlechter. oder sein Vortrag unsorgfältiger wäre,
als in Padua, sondern weil ihm immer noch die Frische und
Durchsichtigkeit der Farbe fehlt, die uns an seinen Staifelei-
Gemälden entzücken. Es liegt oifeilbar lediglich im lilangel an
Vertrautheit mit dem Handwerklichen der Technik und in seiner
Veneüig.
Dogen
palast.
.Unkenntniss der in Betracht kommenden Kunstgriffe, dass hier
seine Schatten dunkel und undurchsichtig, seine Lichter bunt-
scheckig und streifig erscheinen. Eine gewisse Grösse der Com-
position und selbst einzelne Vorzüge in der Behandlung sind
gleichwohl nicht zu verkennen. Der Heilige ist dargestellt, wie
er sich unter dem Gewicht seiner Last auf eine lange wuchtige
Stange stützt und voll Erstaunen zu dem göttlichen Kinde empor-
schaut, das rittlings auf seinem Nacken sitzt und mit der Linken
sich an seinem Gewand festhält, während es mit der Rechten
gen Himmel deutet. Die Gestalt Christophs zeigt gewaltige phy-
sische Kraft und Grösse, das Kind in seinem weissen Hemdclien
schaut schalkhaft dem Spiele des Windes zu, welcher die Wasser
der Lagunen kräuselt und sein Kleidchen gleich einem Segel
aufbläht. Auch das roth und grüne Gewand des Heiligen wird
von dem die Wolken am Horizonte aufthürmenden Winde in
grossen Linien bewegt, und die alte tizianische Weise bekundet
sich in dem geschickt zum Ausdruck gebrachten Gegensatz der
kräftig behandelten Fleisch- und Gewandtöne zum lichten Himmel
und der klaren Luft. Die Formgebung trägt den deutlichen Stempel
derjenigen Periode, in der die Madonna von S. Niccolc de' Frari
entstand und die in dem Bilde des Petrus Martyr ihren Gipfel-
punkt erreichte?" Fast aber scheint es, als ob die ungewohnte
L
25 Um das Bild zu betrachten, muss man durch das Thor gehen, über welchem
es angebracht ist, die Treppen hinansteigen und von der Brüstung aus zurückschauen.
Die WVand hat kein unmittelbares Licht; Tizian hat mit meisterlichem Geschick
die Eigenthumliclikeit des Halblichtes zu nutzen Verstanden. Christophorus ist über
lobensgross, die Floisehlichtcr warm-bräunlich, in st-richolndei- Manicr- verarbeiiet,