Q2
VIII.
.MADONNA 01 s. NICCOLÖ". ROM. 241
nur ein Modell, wie Vasari beruhigt, welches weder im Ganzen
noch im Einzelnen den höheren Adel der Stilisierung zeigt, dessen
Formen aber mit unvergleichlicher Vollendung wiedergegeben sind.
Dolce's Bemerkung trifft ebenfalls zu: das Gewand des heiligen
Nikolaus ist ein technisches Meisterstück. Ueber alle dem aber
tritt das Gesammt-Colorit als die grosse Leistung in diesem Werke
hervor. Der Eindruck voller Wirklichkeit, der hier erzielt ist,
kommt auf Rechnung des Malers im engeren Sinne. Die Wahr-
heit der Carnation, die Hoheit der Formgebung und Auffassung,
der männliche Ernst der ganzen Composition erhalten durch Ti-
zian's Farbe erst ihre volle Wirkung. Pordenone hätte vor Allem
jene grossen Eigenschaften empfinden sollen, namentlich aber die
Klarheit der Wolkenmasse und des Himmelstones er, der
Gleiches anstrebte; nicht minder das anmuthige Gebahren der
Engel, die Grazie in der Bewegung der Jungfrau und des Kindes,
welche an Correggids entzückendes Glorienspiel erinnert, wie es
sich am launigsten und vollendetsten in Parma offenbart. Zudem
durfte der selbstbewusste Rival Tizian's verschwenderisch reichen
Ton und seine unvergleichliche Leichtigkeit der technischen Be-
handlung beneiden. Unsere Bewunderung trifft noch einen anderen
Punkt. Unwillkürlich vergleichen wir die Jungfrau in der Glorie
zu Ancona mit der Maria der Nikolaus-Glorie und den heiligen
Sebastian der Salute oder den in Brescia mit diesem im Vatikan.
Tizian erreicht dieselbe Klarheit und Abrundung der Form wie
Correggio, ohne in dessen conventionclle Verzückung zu verfallen.
Er übertrifft ihn in der Reinheit und dem Glanze seiner Farben.
Unser Sebastian ist weder so jung noch so schön wie der der
Salute, auch nicht so "klassisch" wie der von Brescia, aber
die Gestalt ist, obgleich weniger fein abgewogen oder weniger
eingehend ausgeführt, von kräftigerer Realität, energischer in der
Farbe und mächtiger im Eindruck, weil unmittelbar aus der Natur
entlehnt. In technischer Beziehung haben wir seit Entstehung der
Assunta ungemeinen Fortschritt nachzuweisen. Dem Reichthum der
Pallette in Tönung wie im Farbenauttrag kommt nur die Feinheit
der Verarbeitung gleich, welche das Colorit so wunderbar schmel-
zend und auf der anderen Seite so contrastreich und harmonisch
Crowe, 'l'izin.n l. 1G