VIII.
CAP.
FEDERIGO VON MANTUA. 231
dahin gebracht, dass während der neun Jahre von 1510 bis 1519
das mantuanisehe Gebiet nicht ein einziges Mal von einer feind-
lichen Armee betreten oder durch die unerbetene Gegenwart einer
fremden Flagge gedemüthigt worden sei? Dafür machten die auf
Ferraraund Mantua eifersüchtigen Mächte im Verlauf jener Jahre
zwei Mal den Versuch, sich der Person von Francesc0's_ Nach-
folger zu bemächtigen, um auf diese Weise ein Pfand für das
gute Verhalten des Herrn von Mantua in die Hände zu bekommen.
Der Versuch misslang der Republik Venedig ebensowohl wie Papst
Julius dem II., aber Federigo empfand infolge dieser Erfahrungen
schon als Knabe das Gefährliche seiner Lage und lernte sich in
die Kunst der Intrigue ein. Als er dann in einem Alter von
achtzehn Jahren seinem Vater in der Herrschaft folgte, verstand
er das Diplomatisieren schon recht gut. So sehen wir ihn, ob-
wohl er beim Antritt seiner Regierung ein erklärter Freund Frank-
reichs war, doch bei Karl dem V. die Investitur als Souzerän
nachsuchen und gleichzeitig bemüht, sich die Gunst der Republik
Venedig, seiner nächsten und mächtigsten Nachbarin, zu erwerben.
Wahrscheinlich machte er bei der Gelegenheit eines Besuches,
den er im Januar und Februar 1520 in Venedig abstattete, zuerst
die Bekanntschaft der Werke, wenn nicht der Person Tizian's.
Während seines damaligen Aufenthaltes in der Dogenstadt wurde
er in die Mysterien des venezianischen Oarnevals eingeweiht und
feierlich in die Gesellschaft der Oalza aufgenommen? Es war
nämlich Sitte, fremde Fürstlichkeiten in diesen Club einzuladen,
dessen Mitglieder der Blüthe des venezianischen Patriziates an-
gehörten. Die reichlichen Geldmittel der Gesellschaft wurden zu
Aufführung von Komödien und Aufzügen verwendet. Die Calza-
Brüder hatten die Erlaubniss, mit Uebertretung der strengen Ge-
setze der Republik, zweifarbige Anzüge zu tragen, wie sie Tizian
früher einmal an den Wänden des_ Fondaco dargestellt hatte? Viel-
leicht hat Federigo Gonzaga als Mitglied dieser heiteren Gesell-
schaft, durch Tebaldi, den Geschäftsträgei- seines Onkels, den
3 Mario Equieola: DelY istoria di Mantova,
Ä s. Sanuto bei Cicogna, Iscriz. Venete VI.
5 Sansovino, Ven. llescr. S. 406.
Mantua, II.
S. 268.
AuSg-v
1610,
267.