224 WERKE DER ERSTEN JAHRE NACH 1520. am
VII.
Florenz,
Ufiizien.
eins der schönsten Denkmäler seiner Kunst ist es freilich. Der
Vorzug, den es vor anderen voraus hat, auf welchen Tizian weib-
liche Reize enthüllt, liegt in der unverletzten Keuschheit der Hand-
lung wie des Ausdruckes. Einen Schritt weiter geht Tizian z. B.
in der sogenannten „Flora die in Gestalt, Wesen und Bewegungs-
motiv nicht erheblich verschieden ist?" Hier aber haben wir an-
statt lebhafter Farben und kräftiger Wirkung fast eitel Licht,
Weichheit und Schmelz, der des blendenden Glanzes nicht ent-
behrt, obwohl die eigentlichen Contraste fehlen. Tizian wollte
offenbar eine andere Lebensphase darstellen nicht das Mäd-
chen, sondern das Weib die erblühte Rose, wie sie deren in
der Hand hat, einen schönen Leib, der künstlich gepflegt, durch
das Stubenleben weiss und zart geworden und verführerisch leicht
verhüllt ist. Auch diese Huldgestalt hat wohlwollende Tradition
zur Geliebten des Künstlers gemacht, und Sandrart hat im sieb-
zehnten Jahrhundert dieser Annahme eine poetische Formel ge-
geben:
Blühend athmet die Erde im Lenz, sanft säuselnde Winde
nSchwellen, von Zephyr gesandt, üppig den duftenden Flor;
Flora war Tizianls Lenz, ihm knospet von Liebe das Herz nun:
Ihn und Andere mehr zieht sie verlockend in's Netz. 35
34 Florenz, Ufflzien N o. 626. Das Bild war zuerst 1793, aus der "Guardaroba"
des Herzogs entnommen, öffentlich aufgestellt (s. den Katalog der Utlizien von
1869). Ueber die Herkunft ist sonst nicht viel bekannt. Als es von Sandrart (von
der Gegenseite) gestochen wurde, befand es sieh (im 17, Jahrhundert) im Besitz
des Don Alfonso Lopez, des spanischen Granden in Amsterdam, der auch das Ariost-
Bildniss von Cobham Hall besessen hat (s oben). Dasselbe Bild oder eine Copie
welche, vermögen wir nicht festzustellen war einmal in Wien und wurde
dort unter dem Namen Palnia Veechio für A. J. Premiers Theatrum ai-tis pietoriae
1728 gestochen. Das Original in den Uffizien, lebensgrosses Hüftbild auf kaltem
hellen Grunde, ist nicht gut erhalten; die linke Brust und andere Theile sind mehr
oder weniger durch Nachbesserungen verändert und das Fleisch ist durchweg in-
folge von Abputzung und ungleicher Beseitigung der feinen Lasuren kalt geworden
und aus der Harmonie gebracht. Photographien existieren von Braun in Doruach
und von Alinari in Florenz.
35 Die Verse stehen unter Sandrarfs Stich:
"Vers viret tellus plaeido perfusa liquore
A Zephyro et blando turgida flore viget,
lölora modo veris Titiani pectus amore
Implet et huic similes illaqueare paratf