Volltext: Tizian (Bd. 1)

235i 
WERKE 
DER 
JAHRE 
ERSTEN 
NACH 
1520. 
CAP. 
VII. 
Künstler lebte, der doch nur selten ihre äusserliche Erscheinung 
vorführt. Es lässt sich so wenig von diesem Bacchus wie von 
Ariadne leugnen, dass sie in Fleisch und Blut zurückgerufene 
Typen des classischen Alterthurns sind, erfüllt von dem Zauber 
der Anmuth, deren nur Tizian fähig war. Die Jahrhunderte haben 
dem Bilde seine Frische geraubt, Restaurateure haben ihr lliög- 
lichstes gethan, die glänzenden Flächen zu trüben, und doch ist 
die Wirkung noch heute unwiderstehlich. Reiche Harmonie der 
Gewandfarben und zarte Modellierung, Tiefe des Schattens und 
warmes Licht  Alles verbindet sich, um einen hohen Farben- 
schmelz hervorzubringen, und aus diesem Schmelz tritt die Gestalt 
Ariadne's leuchtend hervor. Lockender und verschwenderischer 
Natur vielleicht nie wieder zu Bilde gebracht 
Feinheit bekundet die Ooneentration des Lichtes 
ist die 
Welche 
worden. 
auf Ari- 
adne, die der Composition allein den Brennpunkt gibt! Welcher 
Glanz im Spiel der Farbencontraste, welche Manniohfaltigkeit der 
Abstufungen in Luft und Vegetation; wie unendlich ist der Raum 
 wie wechselnd und doch wie weich die Abstimmung von Licht 
und Schatten! Tizian hatte bisher keine Composition geliefert, 
in welcher die handelnden Figuren mit der Bühne, auf der sie 
erscheinen, so vollständig in Einklang wären. Prüft man das 
Bild in diesem Betracht, so begreift man schlechterdings nicht, 
dass ein Theil nach dem andern, entstanden ist?" Erstaunt fragt 
man sich, woher Tizian dieses Landschaftsmotiv genommen, wo 
er die Studien zu dem Vordergrunde gemacht. Am Canal Grande 
gab es auch zu seiner Zeit keine Vegetation; man muss vermuthen, 
er habe in Ferrara mit botanischer Treue die Iris, die wilde 
Rose und die Columbine nachgebildet, die unter den Schritten 
seiner Satyrn knicken? Am bewundrungswürdigsten aber ist, 
2" London, National-Galerie No. 35, Leinwand, h. 5 F. 9 Z., br. 6 F. 3 Z, 
Auf der Vase links bezeichnet „T1c1ANvs F." Das Bild ist (von der Gegenseite) 
radiert von Giovan Andrea Podesta von Genua (1636 in Rom) und von J  Juster 
1691 gestochen in Jones Galerie-Werk. Es befand sich vordem in den Sammlungen 
Barberlm und Aldobranclini in Rom und wurde aus der letzteren i. J. 1806 für 
Mr. Buchanan gekauft. 1826 erwarb es die englische National-Galerie von Mr. 
11311116211; vgl. darüber Ridolti I. S. 257 und Scannelli, Microcosmo S. 220. 
1 vergl. das Vorwort zur zweiten Auflage von Ruskins Modern Painters 
S. XXVIII.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.