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7WERKE
DER
ERSTEN
JAHRE
NACH
1520.
CAP.
VII.
Gepäck und seinen Begleiter den P0 hinauf gesandt, während er
selbst nach Mantua reiste. Denn in Mantua war er bis zum
3. Februar als Gast des Frederico Gonzaga. Von dort erst ging
er an den Hof der Este, an welche er Briefe des Markgrafen
mitnahmf? Dort und damals hat er nun ohne Zweifel das letzte
seiner Bacchanalien, nämlich "Bacchirs und Ariadne" (jetzt in der
Londoner National-Galerie) vollendet, und aller Wahrscheinlichkeit
nach wurde zwischendurch auch das unter der Bezeichnung „Al-
fonso und Laura Dianti" bekannte grosse Bild fertig. Endlich
kann man hierher auch eine jener Darstellungen der Venus ver-
legen, von denen Wir noch ein Ueberbleibsel im Museum zu
Darmstadt besitzen.
London,
National-
Galerie.
Wie die "Anbetung der Venus "t auf Philostrat, so lässt sieh
auch die tizianische Darstellung von "Baeehus und Ariadne" auf
einen antiken Dichter zurückführen, und Ridolfi hat bereits ganz
richtig Catull als die Quelle angegeben, welcher das Motiv ent-
nommen ist. Neuere Schriftsteller haben ihren Scharfsinn daran
geübt, darzuthun, dass Tizian ein Dichter gewesen sei, es gelingt
ihnen aber nicht, zu beweisen, dass er der lateinischen Sprache
mächtig war, wenn auch feststeht, dass er eine Ausgabe der Ge-
dichte CatulPs besessen und vielleicht auch gelesen hat. Das Buch
War Jahrhunderte lang aufbewahrt und trug von Tizian's eigener
Hand die küchenlateinische Inschrift: „Liber mihi Titiani et ami-
corum caeterorumquefm Sein Bild ist eine möglichst getreue
Ucbersetzung der catullischen Verse. Ariadne wandelt an der
Küste von Naxos, den Rücken dem Beschauer zugewendet, die
durchsichtige Tunika lose in das azurblaue Peplum gerafft, um
welches der rothe Gürtel flattert, Arme, Beine und Schultern nackt;
sie nimmt die Kleider zusammen und beliügelt ihre Schritte, um dem
Bacchus zu entfliehen, dessen von Leoparden gezogener Wagen auf
dem Rasen hält. Der Gott aber springt von Mänaden und Satyrn
begleitet seitwärts aus dem Wagen und sucht dem schönen Flüchtling
w s. später und vgl. Campori, Tizixino e gli Estensi S. I6 und 17.
14 vgl. Ridolü I. S. 205; Lomazzo, Trattato, Mailand 1585. S. 393 und Mo-
rellfs handschriftliche Anmerkungen zum Anonymus Tizianellds. Tiziaxfs Catull-
Exemplar war die Ausgabe des Guarini v. J. 1521.