Volltext: Tizian (Bd. 1)

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WERKE 
DER 
ERSTEN 
JAHRE NACH 
1520. 
CAP. 
Ferrara, so werde der Herzog ihn unzweifelhaft auffordern, sich 
seinem Gefolge anzuschliessen; bleibe er dagegen in Venedig, so 
würde eine besondere Einladung dazu schwerlich ergehen. wDiese 
Darlegung verfehlte, wie es schien, ihre Wirkung nicht. Tizian 
versprach, Tebaldi wissen zu lassen, wann er nach Ferrara auf- 
brechen wolle. In der Zwischenzeit schrieb der Herzog (26. De- 
cember) und liess seinen Agenten wissen, dass er diese Maass- 
regel billige; sein Vorgeben Tizian gegenüber sei in Wahrheit 
eine Weissagung, denn die Romreise läge ernstlich in seiner Ab- 
sicht. "Sobald der neue Papst erwählt ist, werden. wir nach 
Rom gehen, um uns seiner Heiligkeit zu Füssen zu werfen; will 
Tizian also kommen, so thut er gut, sich zu beeilen, da wir ihn 
gern mit uns nehmen würden, und er muss unser Gemälde schnell 
vollenden, denn es kann keine Rede davon sein, dass er während 
dieser Reise irgend welche andere Arbeit vornehme."  Allein 
Tizian war selbst durch diesen Köder nicht zu fangen oder er 
hatte andere gewichtige Gründe, seine Geschäfte wahrzunehmen. 
Zu Weihnachten verliess er Venedig und ging wahrscheinlich nach 
Brescia, von wo er erst am 3. Januar zurückkehrte. Tebaldi fand 
ihn damals "körperlich sehr heruntergekommen infolge unregel- 
mässigen Lebens." Er jedoch nahm seine Krankheit leicht und 
schrieb sie anderen Ursachen zu. Fortdauernd gab er sich den 
Anschein, als wolle er den Ausflug nach Rom gern machen, war 
aber nicht dahin zu bringen, für seine Abreise einen Tag festzu- 
setzen, sondern versprach nur, sobald der Erfolg des gegen- 
wärtigen Gonclave verlaute, in einem "Burchio" nach Ferrara zu 
segeln." 
Schliesslich ist dann weder der Herzog noch Tizian damals 
nach Rom gekommen. Ein erneuter Versuch, den Künstler nach 
Ferrara zu locken, misslang wieder (am 17. Juni), da Tizian er- 
klärte, er könne ein Gemälde, an welchem noch mehrere Theile 
nicht so ausgeführt seien, wie ihm vorschwebe, unmöglich ab- 
{Der "Bllrchio", eine grosse Barke mit Cajute, wurde im 16. Jahrhundert 
viel zu Binnenfahrten benutzt (s. Venezia e le sue lagune, Venedig 1847, I. 1. Theil 
S. 223).
	        
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