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VII.
ALTARBILD
FÜR BRESCIA 1522. 207
die als Mittelbild zu behandelnde Composition über das Maass
der Seitenfelder erhob, welche den heiligen Sebastian und Ave-
roldo mit seinen Schutzheiligen darstellen, und überhöhte die
beiden letzteren mit Halbtiguren der Jungfrau und des Engels
der Verkündigung. Auf diese Weise wird die Gestalt des auf-
erstandenen Erlösers zur Mittelfigur des ganzen Altarbildes. Er
schwebt mit der Fahne in der Hand, von Wolken getragen, welche
sich aus dem Grabe erheben. Die Marmorgruft, der er entstiegen,
liegt halb verdeckt hinter einem grasbewachsenen Hügel, vorn
ein Krieger, der den Vorgang mit Staunen betrachtet, während
ein zweiter, vom Rücken gesehen, erwacht und im Aufstehen den
Stamm eines Epheubusches umklammert. In einiger Entfernung
vom Hügel wandeln die Marien in der von röthlichem Schein er-
hellten Landschaft; der Wind treibt schweres Gewölk daher, er
beugt die Zweige eines jungen Baumes und bauscht das Bahrtuch
des Erlösers und die Siegestahne in seiner Hand. Links blickt
der heilige Nazarus empor, und St. Celsus in stählerner Rüstung
wendet sich dem knieenden Averoldo zu, um ihm den Aufer-
standenen zu zeigen; rechts sieht man im Hintergrunde den
heiligen Rochus, den ein Engel tröstet, und vor ihnen den an
einen Baum gebundenen Sebastian. Sein rechter Arm ist am
Ellenbogen über dem Kopf befestigt, der linke in einer Höhe mit
der Hütte, die Brust durch einen Pfeil durchbohrt; die zusammen-
brechende Gestalt stützt sich nur noch momentan durch den auf
der Kante einer zerbrochenen Säule ruhenden rechten Fussß
Brascin,
S. Nazaro
e Celso.
6 Das Altarbild, früher an sehr Imgünstiger Stelle zwischen zwei Fenstern
im Chor uufgehangen, ist kürzlich von dort weggenommen. Die Figuren sind
sämmtlieh lebensgross. Im J. 1819 wurde das Bild von Girolamo Romano aufge-
bessert (s. P. Brognolfs Nuova guida di Brescia, Breseia 1826, S. 133 und 277).
Am meisten hat die "Auferstehung" gelitten; sowohl die figürlichen Theile wie
auch der Himmel sind ubermalt, sodass der Christus sehr hart und dunkel und
der Vordergrund ziemlich schwarz geworden ist. Andere Stücke, z. B. das Porträt
Averoldo's mit seinen Schutzheiligen und die Annunziata, haben durch Verbleiehen
etwas an Farbeverloren. Am besten ist der Sebastian erhalten. Auf der runden
Basis seiner Säule steht: "TICIANVS FACIEBAT MDXXII". Ridolii a. a. O.
I. S. 344 erwähnt und Chizzola, Pittnre di Breseia (1760) S. 58 bestätigt, dass
das Altarstuek Flngelklappen gehabt habe, die mit musicierenden Engeln und mit
den palmentragenden Namensheiligen der Kirche (Nazarus und Celsus) von Mo-
retto's Hand geschmückt gewesen seien. --Umriss-Stiel1e der einzelnen Bilder des