VII.
BILDNISSE
GRIMANI
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Auge der Richtung des Gesichtes, das in die Ferne blickt, als
beobachte es im Geiste noch die verhängnisswrolle Schlacht von
Sapienza, welche ihm Unehre, Fesseln und Verbannung brachte.
Weit über die Jahre hinaus, die der, menschlichen Gestalt auf-
rechte Haltung und Biegsamkeit lassen, gemahnt er an die em-
pfindungslosen bemoosten Felsen, welche den Stürmen von Jahr-
hunderten getrotzt und noch ferner trotzen würden, so zäh und
ungebeugt, durchbohrenden Blickes, im Ausdruck ein Gemisch
von Kraft und Tücke, stellt er sich dar. Nur schwach rinnt der
Saft unter der kargen Fleischhülle seiner Stirn, aber tief innen
ist noch Triebkrait, und dieses Leben hat Tizian in seiner ganzen
Energie festgehalten. Alle Pinselkunststücke verschmahend wirft
er ein goldenes Licht über das Antlitz, gibt der angespannten
durchfurchten Haut durch feine Wellungen der Halbtöne und
Schatten, die mittels kräftiger Farbenlagen zu Flächen verwirkt
sind, die momentanste Bewegung, wie wir sie fast nur dem Spiegel
der Natur im Lichtbilde zutrauen. Vermuthlich hat jedoch das
Rosenbergsche Bild Beschädigungen erlitten. Die Wiederholung
in der Casa Morosini zeigt geringe Abweichungen ausgenom- Venedig,
men wesentlich dieselben Eigenschaften; es ist noch wärmer miiiänt
und sonniger gehalten, als jenes, das später gemalt sein mag,
wie auch die Physiognomie noch etwas älter erscheintf
Inwiefern diese beiden Bildnisse Grimanfs von demjenigen
abwichen, das Tizian für den Saal des Grossen Rathes ausführte,
steht nicht mehr zu entscheiden. Wir wissen nur, dass er am
3. Juni 1523 seine 25 Dukaten dafür empfing und dass ihm dieses
Geld auf Befehl der „Capita" aus demiSchatze des Salzamtes
ausgezahlt wurde? Die kurze Regierungsdauer Grimanfs ge-
4 Das Grimani-Porträt bei H. Rosenberg ist lebcnsgrosses Kniestück, auf
Leinwand. Es befand sich als Erbstück im Palast Grimani in Venedig bis 1873;
obgleich es seit 1871 der Gräfin Berchtold gehörte. Es ist durch Uebertülßfelung,
Nachbesserungen und schlechte Firnissuberzüge angegriffen. Das Exemplar der
Sammlung Morosini-Gattcrsburg zeigt geringe Abweichungen: die Hand ist unbe-
deckt und hält die Handschuhe, auch fehlt der rothe Vorhang im Hintergrunde.
Die Urkunde bei Lorenzi S. 176. Das Bild ist verbrdnnt. Ausser diesen
Dogen-Porträts Grimanfs werden noch von Tizian erwähnt: ein Bild, das denselben
als „Adn1iral in Apulien" (1498) und als Prokurator nach der Wiederherstellung