200 TIZIAN UND ALFONSO VON ESTE. CAP. VI.
weder „Ba1i'0's" noch Averoldds Drängen machte ihn mürbe. Er
sehnte sich nach Bergluft und ging, wie es den Anschein hat,
1521 nach Conegliano. Dort malte er die Stirnseite der Scuola.
di S. Maria Nuova aus, eine Arbeit, wofür er ein Haus als Frei-
lehen zum Honorar erhielt. 57
Noch während er bei dieser Arbeit beschäftigt war, starb am
22. Juni 1521 Leonardo Loredan, der Doge, der Venedig in den
letzten, ereignissvollen zwei Jahrzehnten regiert hatte.
57 Auf der Rückseite der Zeichnung in der Sammlung der Düsseldorfer Akade-
mie steht Folgendes: „Del 1521 fui chiamato a Conigliaiio dalla scola de Santa Maria
Nova p dipingerli a freseo la facciata di-detta. scola, et per premio de le mie fattiche
mi fu allogatta una casa posta in contra" dell Arfosso la qual casa era di razion di
ditta scola, qual casa deve esser liberamente di me Titian di Veeelli di Cadore, di
miei eredi p sempre et in perpetuo come apar dal istrum."
,.Et detta Cassa l'ho dipinta dentro e fuori de mia m
Die Zeichnung, auf dunkel blaugrauem Papier, stellt einen Heiligen dar mit
Stab und Buch in der Rechten, die Linke auf die Brust gelegt, der Kopf mit langem
Haar und Bart ist nach rechts gewandt. Das Blatt wurde von Prof. Krahe am
Ende des vorigen Jahrhunderts in Rom gekauft, wo es sich ursprünglich in Carlo
Marattals Besitz befunden hatte. Bezüglich der Echtheit der oben wiedergegebenen
Zeilen mag bemerkt werden, dass die Schreibung "Titianus", wie sie hier steht, in
dieser Zeit ungewöhnlich war. Ist die Beischrift Fälschung, dann ist sie Sehr geschickt
gemacht, denn die Schriftzüge gleichen denen Tizians genau.