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TIZIAN
UND
ALFONSO
VON
ESTE.
Aufträgen, die von geistlicher Seite an ihn kämen, nun und
nimmer-mehr leiden. Tebaldi bekam aber doch Lust, den viel-
gepriesenen Sebastian zu sehen. Er erfuhr, dass der Meister einen
Tag festgesetzt habe, an welchem das Bild für seine Freunde
ausgestellt sein sollte, schloss sich den Besuchern an und hörte
aus Tizian's Munde von Neuem die Erklärung, er habe nie etwas
Besseres gemacht. Dies brachte den schlauen Vermittler auf den
Einfall, ob er den Meister nicht vielleicht überreden könne, seinen
Schatz dem Herzog zu überlassen. Er wartete deshalb bis die Ge-
sellschaft sich zerstreut hatte und liess dann die Bemerkung fallen,
es sei doch eigentlich verlorene Mühe, wenn ein solches Bild in
die Hände der Pfatfen und nach Brescia käme, Während ein
Herzog von Ferrara da sei, der es mit-Vergnügen kaufen würde.
Zuerst heuchelte Tizian Beleidigung; „ er wisse nicht, wie er dazu
komme, dass man ihm einen solchen Betrug zutrauen könnte
Tebaldi liess sich dadurch aber nicht abschrecken, sondern sagte,
er wolle ihm den Weg zeigen, wie das zu machen wäre, und
schlug "nun vor, Tizian solle für den Legaten eine Wiederholung
mit einigen Abänderungen malen. Dieser weigerte sich jedoch,
einem solchen Ansinnen Gehör zu schenken, und Tebaldi verliess
das Haus, ohne seinen Zweck erreicht zu haben. Solche Ver-
suchungen von Seiten hochgestellter und einflussreicher Persönlich-
keiten erwiesen sich jedoch zuweilen stärker als Tizian's tugend-
hafte Entschlüsse. War auch seine erste Regung ehrlich gewesen,
den erneuten Anreizungen seines Gönners hielt sie nicht Stand.
Tebaldi hatte inzwischen an Alfonso berichtet, ihm den St. Seba-
stian geschildert und strenge Geheimhaltung empfohlen, damit die
Priester nicht etwa Wind bekamen und die Tafel aus Tizian's
Werkstatt abholtenßa Der Herzog ermuthigte seinen Geschäfts-
träger, sich des Schatzes zu versichern und Tizian fiel wirklich
in die Falle, die ihm in Gestalt von sechszig Dukaten in baarem
Gelde gestellt ward. Beide Theile hatten indess bald reichliche
Veranlassung, ihren Antheil an dem Handel zu bedauern. Alfonso
Brief vom
Alfonso ,
53 Tebaldi an
gli Estcnsi S. 11.
December
1520
Tiziano
Cunlpori ,
bei