CAP.
E
VERKÜNDIGUNGSBILD
IN TREVISO.
185
Uebermalungen, die in der Nähe sogar das Auge beleidigen, aber
die Gesammtwirkung ist die einer reichen sonoren Harmonie.
Unter den Bildern, die Tizian nach der Beschreibung Palma
Giovinds angefangen und dann zurückgestellt hatte, verdient eins
besonders hervorgehoben zu werden. Während des Krieges der
Ligue von Cambrai litt Treviso durch Belagerung viel Drangsal
und Elend, aber kurz vor dem Frieden von 1517 begann der
Wohlstand der Stadt sich wieder zu heben und damit auch die
alte Vorliebe für monumentale Dekoration. Als die Leiter dieser
neu erwachenden Richtung zeichneten sich zwei geistliche Würden-
träger aus: der Bischof Rossi und sein Vikar Malchiostro; Letzterer
namentlich erwarb weitreichenden Ruf durch die Förderung, welche
er gleichzeitig zwei berühmten Künstlern angedeihen liess: dem
Pordenone, dem besten Freskanten der venezianischen Provinzen,
und Tizian. Das Gemälde, das wir jetzt zu betrachten haben,
ruft das Gedächtniss beider Meister wach, die, nachmals scharfe
Gegner, hier zu Einem Zweck gearbeitet haben: es ist das für
die Kapelle Malchiostrds in S. Niccolo zu Treviso bestimmte
Altarstück. Der Raum wurde i. J. 1519 von Pordenone zum
Theil mit Fresken ausgeschmückt, die seiner genialen Dreistigkeit
alle Ehre machen, der Auftrag zum Bilde ist aber wahrscheinlich
früher ertheilt, denn seiner Behandlung nach gehört es mehr der
Gruppe der glatten, sorgfältigen Arbeiten an, deren Typus der
nheilige Markus" in der Salute bezeichnet, im Gegensatz zu dem
schwungvollen Vortrag der Assunta. Wir werden daher annehmen
dürfen, dass das Altarbild zwar i. J. 1519 in der Kirche auf-
gestellt, aber schon früher entworfen, zurückgelegt, wieder vor-
genommen und schliesslich vollendet worden sei. Das Bildniss
ltialchiostrds, welches im Hintergründe angebracht ist, scheint
der am spätesten ausgeführte Tlreil zu sein.
Man erzählt, Tizian habe eine besondere Vorliebe für das
in Ceneda befindliche Verkündigungsbild Previtalfs gehabt und
deshalb auf seinen Reisen nach Cadore nie verfehlt, dort Sta-
tion zu machen, um das liebenswürdige Gemälde anzuschauen."
I. S. 184; vgl.
unter Previtali.
37 Ridolü, Maraviglie
deutsche Ausgabe, Band V.
der Verff.
Geschichte der ital.
Malerei,