1841
TIZIAN
U ND ALFONSO
ESTE.
VON
CAP.
vervollständigt durch die waagreehte Lage der den Ewigen um-
kreisenden Engel; das Köpfchen des mittelsten bildet gleichsam
den Schluss-Stein des gemalten Gewölbes. Von der Gestalt Gott-
vaters sieht man nurKopf und Arme, das Uebrige verliert sich
in dem Glanz der Glorie, zu welcher die Jungfrau aufsteigt. Er
blickt freundlich und wie von väterlicher Rührung ergriffen herab.
Ein neben ihm her iiiegender Cherub trägt den grünen Kranz, von
der anderen Seite drängt sich ein Erzengel in vollem Gewand-
schmuck eifrig an ihn heran; er hält mit beiden Händen den
Kronreif und wendet sich mit sprechender Geberde dem Herrn zu,
als erbäte er die Gunst, ihn der künftigen Himmelskönigin aufs
Haupt drücken zu dürfen. Unten im Schatten sind die Apostel
geschaart. Vom Schauer der Gottesnähe erfüllt haben sie in
übereinstimmendem Seelenzuge den Blick von dem Grabe, um das
sie versammelt sind, abgewendet und schauen empor zu dem
Wolkenkreise, mit welchem die Gottesbraut vor ihren Augen ent-
schwindet. Petrus hat nach dem Beschauer gewandt am Sarko-
phag gesessen; er wendet sich jetzt und heftet, die Hände taltend,
seine Augen unverwandt empor; rechts von ihm steht Andreas,
vom Rücken gesehen; die Geberde der Entfliegenden unbewusst
wiederholend, reckt er sich mit ausgebreiteten Armen, weiten
Schrittes der Erscheinung nach; gegenüber Johannes, an den sich
ein greiser Genosse staunend schmiegt; die Linke auf die Brust
gelegt emporschauend dreht er sich, indem er vorgeschritten, in
der Hüfte mit unvermerkter Gewaltsamkeit rückwärts und em-
pfangt den Abglanz des Himmelslichtes auf das jugendliche Antlitz.
Die Anderen lauschen, staunen, deuten in verschiedenen Geber-den,
zu äusserst beiderseits treten Paulus und Jakobus hervor. Sämmt-
liche Gestalten sind dunkel abgehoben von einem Himmel so
klar und blau, als wäre er hoch über uns und nicht nahe dem
Horizontßt Und wie ist diese an die Wirkung im geschlossenen
34 Venedig, Akad. No. 24, Holz, h. 6,90, br. 3,60, am Sarkophag bezeichnet
"TICIANV F." Angeblich war das Bild vor seiner Uebertragung in die Akademie
durch die Wirkungen des Alters und durch den Kerzendampf sehr dunkel geworden
(s. Zanotto, Pinacoteca dell' Acad. di Ven., Venedig 1834). Bereits im scchszehnten
Jahrhundert war es in Folge verschiedener Einilllsse so verschmutzt, dass Vasari