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TIZIAN
VON
UND ALFONSO
ESTE.
CAP
stand Ariost an der Schwelle der Seehszig und war in seinem
Aeussern sehr verschieden von dem jungen reizvollen Dichter,
welcher das Wohlgefallen Isabellafs von Este erregte, da. er ihr
die verfängliohen Strophen seines Furioso V0I'l3.S.2O Aber selbst
in dieser Gestalt und in diesem Alter war sein Bildniss populär.
Wir linden es in kleinem Maasstabe in der Galerie des Belvedere
zu Wien wieder,
halten wird?
welches
Bild
ebenfalls
für
Tiziarfs
Werk
War Tizian auch kein Dichter im Sinne Derjenigen, Welche
seine Beziehungen zu Ariost durch eine recht übel angebrachte
Schmeiehelei verdrehen, und können wir noch weniger glauben,
er sei Ariosfs Rathgeber in Dingen gewesen, über welche ihn zu
Rathe zu ziehen der Dichter wahrscheinlich verschmäht haben
würde, so war er nichtsdestominder auf seine Weise ein Poet von
Gottes Gnaden. Diese Poesie spricht fast aus jeder Linie seiner
Landschaften, aus den Mysterien seiner Allegorien. War er nur
der „mut0 poeta", von dem Tasso singt, so ist er ein Stummer,
der die Fähigkeit besass, durch sein Schweigen das Erhabenste
auszudrücken und die holdesten Empfindungen zu wecken. Die
Humanisten mochten es nothwendig finden, ihm Gegenstände wie
das „Bacchanal" oder "Bacchus und Ariadne" vorzuschlagen. Eine
Composition wie die der „drei Alter", welche Tizian jetzt malte,
musste seinem innersten Bewusstsein ganz natürlich entspringen,
den Abdruck mitschickt und dabei bemerkt, dass die Zeichnung zu demselben von
Tizian her-rührte. Der Brief befindet sich auf der Bibliothek zu Ferrara und ist
theilweis abgedruckt bei Panizzi a. a. O. und in Baruffaldfs Ariosto S. 251. Wir
bemerken, dass das Profil des Holzschnittes genau mit allen zur Ehre Ariosfs geprägten
Denkmunzen und auch zu dem von Enea Vico gestochenen Porträt stimmt. Panizzi
gibt eine Wiederholung von Nantds Ariostproiil in seiner Ausgabe des Orlando v. J.
1834. Es ist auch der neuesten Ausgabe des Druckes v.J. 1515 (Ferrara 1875) beigefügt.
" Dies geschah bereits 1507, Wie aus dem an den Cardinal Ippolito gerich-
teten Briefe vom 3. Februar d. J. hervorgeht, s. Tiraboschi. Storia della lettcratura
italiana, Mailand 1824, VII. S. 1815.
2' Das Porträt im Belvedere ist ein kleines Protil-Brustbild (Holz, h. 10 Zoll,
br- 3 Zonl- ES Zeigt einen Mann in brauner, pelzgefütterter Schaube, den Kopf
nach links gewandt. Das Gesicht ist, ohne sehr ähnlich zu sein, dem Stich von
1532 entlehnt, doch der Maler ist nicht Tizian. Nach der Behandlungsweise zu
urtheileu war es vielleicht von Teniers für den Erzherzog Leopold Wilhelm ge-
malt, mit dessen Sammlung es nach Wien kam