CAP. VI. BILDNISSE ARIOSTS.
Brescia, in den Sammlungen BIanfrin-Barker und Munro in England,
die man seltsam genug sämmtlich dem Gioxgione zuschreibt. Trotz-
dem kann nicht in Abrede gestellt werden, dass zwischen dem
"Ariost" der National-Galerie und dem Holzschnitt in der Orlando-
Ausgabe letzter Hand grössere Aehnlichkeit besteht als zwischen
diesem Holzschnitt und dem Porträt in Cobham Hallfs Dieser Holz-
schnitt, eine vorzügliche Arbeit, ebenso meisterhaft in der Wieder-
gabe der Züge als geschickt in der Composition und Zeichnung
der ornamentalen Umrahmung, stellt den Dichter, was wohl zu
bemerken ist, im Profil dar. Während wir in Cobham Hall ein
offenes Gesicht sehen, in der National-Galerie ein etwas weich-
liches, haben wir hier Züge vor uns, die einem verschlagenen
Staatsmann ähneln, dessen Brauen stark markiert sind und dessen
Augenlid- wie die Dachtraufe italienischer Häuser vorspringt.
Das Auge ist sehr dicht an die Nase gerückt und diese selbst
schiesst in ansehnlicher Lange hervor und sieht ausserordentlich
weise aus, zumal sie ein Gesicht von sehr ausgearbeiteten Fleisch-
partien beherrscht, umrahmt durch geringelten Bart und Haupt-
haar, von dem, ehe es sich ganz zurückgezogen, ein einsamer
Lockenbüschel auf der Stirn geblieben ist, während der Schädel
die janushafte Glatze zeigtfg Als Tizian diese Zeichnung anfertigte,
13 Das Ariosto-Bild der Sammlung Manfrin ging 1857 in die Sammlung Barker
über und wurde später weiter verkauft. Waagen, Treasures of art in Great Britain,
London 1854, Band III: S. 9 und Burekhardt, Cicerone, Leipzig 1855, S. 967a
erklären es für Original, jedoch Mündler (Beiträge zu Burckhardfs Cicerone, Leipzig
1870, S. 61) hat es auf seine geringe Bedeutung, die einer späten und schlechten
Copie, zurückgeführt- Eine zweite Copie des Ariosto-Porträts _von Cobham Hall,
aber mit Abänderungen, ist das Bild N0. 25 der Stadtgalerie zu Vicenza. Hier
ruht die Hand auf einem Buche, welches auf dem Sockel liegt. Es ist die Arbeit
eines späten Venezianers und übrigens durch Uebermalung beschädigt. Dem Bilde
von Cobham Hall entnommen ist ferner ein Kopf in der Galerie Tosi zu Brescia,
doch ist er ganz neu. Ein viertes Ariosto-Bild ging aus der Sammlung Munro in
die der Mrs. Buttler Johnstone in London über. Ein Bildniss Ariosifs befand
sich endlich (vgl. Campari, Racc. di Cat. S. 69) i. J. 1624 in der Sammlung des
Cardinals Alessandro von Este in Ferrara.
19 Hier ist das Gesicht Ariost's nach rechts gewandt. Der Druck ist im Orna-
ment bezeichnet mit dem Namen des F. oder Francesco de Nanto, eines Savoyarden,
dessen Arbeiten sehr selten sind (vergl. Panizzi in G. Melzfs Bibliografie. de' ro-
manzi etc., Mailand 1837, S. 117, 118;. Ueber Tizian's Zeichnung dazu siehe den
Brief des Verdizotti an Orazio Ariosti vom 2T. Februar 1588, in welchem jener