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VON
TIZIAN UND ALFONSO
ESTE.
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mit gestreiften Aufschlägen treten aus der mit braunem Pelzwerk
verbrämten Schaube hervor; die ganze kostümliche Anordnung ist
höchst wirkungsvoll. Der Lorbeerbaum im Hintergrunde deutet
auf den "Laureaten". Ohne den Bart hätte das Gesicht indess
einen entschieden weiblichen Ausdruck, auch ist die Gestalt weniger
grandios als die des Gemäldes in Cobham Hall. Bei näherer
Betrachtung entdecken wir aber hier. gewisse Mängel, an die
wir sonst bei Tizian nicht gewöhnt sind. Mischung und Vortrag
des Fleischtones haben etwas Täuschendes; sie halten genauerer
Besichtigung nicht Stand; ebenso erweist sich die Zeichnung als
locker und fehlerhaft. Allem Reichthum und Glanze zum Trotz
ist die Farbe zu glatt und gleichmässig; anderntheils wieder, wie
in den Bäurnen des Hintergrundes, zu scharf und kalt, der Ton
zu rosig und zahm, die Modellierung zu schwach für den grossen
Meister." Zwei Malernamen kommen uns hier ins Gedächtniss,
die beide mit gutem Grunde als Urheber des Werkes bezeichnet
werden dürften: Pellegrino da San Daniele und Dosso Dossi. Nimmt
man jedoch den Letzteren in Anspruch, so bleibt noch ein Mittel-
glied für diesen stilkritischen Schluss zu erbringen, nämlich dass
Dossi, was durchaus nicht feststeht, in irgend einer Periode seiner
künstlerischen Thätigkeit in der Empfindung wie in der tech-
nischen Behandlung durch und durch venezianisch gewesen sei,
während sein Stil sich in der Mehrzahl seiner Werke auf das
Unverkennbarste als Mischling der lombardischen und mantua-
nischen Weise charakterisiert.
Es fällt jedoch ins Gewicht, dass, wenn Ariostds Bildniss in
Frage kommt, der in Italien anerkannte Urtypus desselben auf
dem Gemälde in Cobham Hall zu finden ist. Zeugniss dafür geben
die Porträts in der Galerie zu Vicenza, in der Sammlung Tosi zu
17 Das Ariost-Borträt der Londoner National-Galerie (N0. 636, h. 2F. 81h Z.,
br. 2 F.) war ursprünglich auf Holz gemalt, ist jedoch auf Leinwand übertragen
worden. Es entspricht der Beschreibung, die Ridolfi von dem Bildnisse Ariosfs in
der Sammlung Renier gibt. Es gehörte ehemals den Sammlungen Tomline und
Baucousin an und befand sich beim Verkauf der Sammlung Renier i.J. 1666 nicht
nlehr in dßrßelben. Uebermalungen besonders am Halse und den benachbarten
Theilen haben dasselbe beschädigt; vgl. Ridolü I. S. 210 und Campori, Raec. di
Cataloghi S. 442.