Volltext: Tizian (Bd. 1)

lß 
TlZVlAN 
VON 
UND ALFONSO 
ESTE. 
CAP. 
 letztere identisch ist mit dem, welches sich in Cobham Hall, dem 
Halt Landsitz Lord Darnley's befindet. Es ist in unseren Augen die 
glücklichste Schöpfung aus derjenigen Periode Tizian's, in welcher 
er unter dem Einiiuss Pa1ma's und Giorgionds steht. Geradezu 
unübertreHlich ist hier der Reichthum und die Leuchtkraft seiner 
Töne, die Feinheit der Modellierung, die Zartheit der Abstufungen 
im Licht. Der Dargestellte, ein Mann von würdevoller Haltung, 
trägt in seinen Zügen gleichzeitig den Ausdruck erhabener Heiter- 
keit und kluger Verschlagenheit, und man sieht, dass der Maler 
bei aller Naturtreue sich doch bemühte, ein Ideal zu erreichen, 
wenn auch nicht in griechischem Sinne, so wenigstens durch eine 
Kraft und Zartheit der Farben, die einzig dastehen. Der Dichter 
 vorausgesetzt, dass es wirklich Ariost sei -ist langsam dahin- 
wandelnd aufgefasst, nur der obere Theil seines im Profil gesehe- 
nen Körpers wird über einer Brüstung sichtbar, Kopf und Augen 
sind voll auf" den Beschauer gerichtet: eine Gestalt von edlen 
Verhältnissen, ein feines von dunklem Bart und langem in der 
Mitte gescheiteltem kastanienbraunen Haar umrahmtes Gesicht. 
Aus _dem dunklen Wamms schaut das gefaltelte Hemd hervor, 
welches Hals und Nacken frei lässt und sich im Ueberkleid 
verliert, dessen blaugesteppte Atlasärmel prächtig zur Geltung 
kommen, indem der Dahinschreitende die Rechte auf die Brust 
erhebt. w 
Stiche und Mündler, Essay d'une analyse ete., Paris 1850, sowie Villofs Bemer- 
kungen über das Porträt Oastiglionds in seinem Katalog des Louvre, 1866; S. auch 
später. 
w Das Bildniss in Cobham Hall (Sitz des Earl Darnley) ist Halbfigur aiuf 
graugrünem Grunde, auf Leinwand, h. 2 Fuss, br. 11A Fuss, auf dem bräunlichen 
Sockel bezeichnet „TITIANVS F." Es hat keine Staffel, mag jedoch, wie gesagt, 
dasselbe Bild sein, Welches in der Sammlung Lopez zu Karls des I. Zeiten er- 
wähnt wird (s. den Brief Claude Vignoifs an F. Langlois bei Bottari, Lettere 
pittoriche, Mailand, Ausgabe von 1822, IV. S. 446), und dieses mag wiederum das 
Ariosto-Bildniss von Tizian gewesen sein, welches nach Baruffaldi (Leben des Ariost) 
i. I. 1554 aus Ferrara. an Virginio Ariosto nach Padua geschickt worden ist. Das 
Bild in Cobham Hall kann aber nicht identisch sein mit dem, welches Ridolii I. 
S. ZU? in der Sammlung Renier beschreibt. Das Kleid ist verschieden. So schön 
das Blld übrigens ist, so hat es doch gelitten. Der Bart ist stark übergangen und 
auch sonst sind durch Alter und Unbill Veränderungen hervorgebracht. Von dem 
AIiOSÜO-Pofträt bei Lßpez haben wir einen Stich, welcher mit dem Bilde in Cobham
	        
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