Volltext: Tizian (Bd. 1)

TIZIAN 
UND 
VON 
ALFONSO 
ESTE. 
ÜAP 
zurüekzuflatternfo Es lässt sich nicht leugnen, dass die Liebes- 
götter, deren Gegenwart dem Gemälde Tiziarfs solchen Reiz ver- 
leiht, in der That an die wundervollen Himmelsboten gemahnen, 
welche das Gewölk der Assunta bevölkern und über dem Throne 
der Madonna des Hauses Pesaro schweben. 
In diesen Eroten haben 
wir eben eine erste Verkörperung der späteren Engel Tizian's. 
Zu der früheren glatten Durchführung, sorgfältigen Model- 
lierung und genauen Zeichnung gesellt sich hier ein warmer Ge- 
sammtton in kühlerem Grau und Grün und breiter-n Schatten der 
tiefgefärbten Stoffe. Die Erzählung, Dominichino habe Thränen 
vergossen, als er erfahren, dass dieses Gemälde nach Spanien 
gebracht worden sei, ist durchaus glaublich; Poussin und Van Dyck 
würden es gewiss ebenso sehr vermisst haben wie Rubens, der 
es eopiert hatte. Albano hätte in ihnen das Original vieler seiner 
Nachbildungen verloren. 
Die in Ferrara und Modena aufbewahrten. Briefschafterl er- 
wähnen dieses Bildes mit keinem Worte. Ebensowenig ist davon 
in den auf uns gekommenen zeitgenössischen {Rechnungen die Rede. 
Wahrscheinlich aber war es das erste der von Tizian für das 
Studio des Herzogs geschaffenen drei Gemälde, wenigstens hat es 
in der Behandlung noch mehr von der Sorgfalt der früheren als 
von der Freiheit der späteren Zeit, wie diese schon auf dem 
Baccixanal in Madrid und dem Bacchus in der National-Galerie 
in London, beide aus dem Jahre 1319, zu Tage tritt. Angenommen 
aber, es ward  wie wohl glaublieh  vor 1518 gemalt, so 
geht ihm doch noch eine Anzahl von Bildern zeitlich voran, auf 
die wir nothwendig zurückgreifen müssen, darunter als Wichtigstes 
das Bildniss Lodovico Ariostds. Es unterliegt keinem Zweifel, 
dass Ariost mit Tizian bekannt war und der Dichter dem Maler 
zu seinem Bildniss gesessen hat. Dagegen fehlt der Beweis für 
intimere Beziehungen zwischen beiden, denn wenn auch behauptet 
wird, dass Jeder von ihnen Pathe beim Kinde des Andern gewesen, 
findet sich dafür doch nirgends eine beglaubigte Bestätigung." 
10 vgLHerman Grimm: Engel und Liebesg-ötter, Preuss. Jahrbücher, Bd. 35. 
Vasari VII. S. S4 hatte bereits bei Giorgione den „ango1o a guisa di Gupido" bemerkt 
1' Ticozzi, Vite de' pittori Vecelli S. '42. 
	        
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