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STAATSDIENST.
PAP.
musste aber der Geschäftsträger zu der Ueberzeugung gelangen,
dass die Hoffnungen des Herzogs niemals verwirklicht werden
Würden und sprach sich darüber in seinen Briefen aus!" In Folge
dessen richtete dieser sein Augenmerk auf Tizian, mit welchem
sein Agent in Venedig, Jacopo Tebaldo, nunmehr neue Unter-
handlnngen eröffnete. Zuvörderst war die Rede von einer Zeich-
nung, die Tizian liefern sollte "i, später handelte es sich um einen
aus Ferrara vorgeschlagenen Stoff, zu dem der Gedanke wahr-
scheinlich von Ariost herrührtefi Die folgenden Briefe von Tizian
und Tebaldo geben darüber Aufschlüsse, die wir ihrer WVichtig-keit
halber nicht unterdrücken dürfen.
Tizian an den Herzog von Ferrara.
„An den erlauchtesten und gnädigsten Herrn,
meinen Herrn Herzog von Ferrara.
„Gnädigstei' Herr und Gebieter!
„Ich habe in diesen Tagen mit schuldigster Ehrfurcht Ew.
Herrlichkeit Brief nebst der Leinwand und dem Rahmen erhalten.
Nachdem ichvon dem Inhalt Kenntniss genommen und mir alle
darin enthaltenen Anweisungen eingeprägt, finde ich sie so schön
und klar, dass sie nach keiner Seite der Verbesserung mehr be-
dürfen, und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr gelangte
ich zu der Ueberzeugung, dass die hohe Stufe, welche die Kunst
bei den Alten erstiegen, der Unterstützung zu verdanken ist, die
ihnen grosse Fürsten gewährten, die sich herabliessen, den Malern
das Vertrauen und das Ansehen zu leihen, welche in dem eigenen
Scharfsinn bei Beurtheilung von Gemälden wurzelten. Kann ich
deshalb zweifeln, dass ich, wenn Gott mir beisteht, den Wünschen
Ew. Gnaden zu genügen, Ehre und Ruhm von meiner Arbeit haben
werde? Und doch werde ich Alles in Allem dabei nicht mehr
gethan haben, als dass ich Demjenigen Form verliehen, das seinen
Geist den wesentlichsten Theil also von Ew. Hoheit em-
prangen hat. Doch das bleibe dahingestellt. Ich kann ver-
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62 Campori, Not. ined. di Raifaello S. 9. '53 vgl. die Berichte
2. März (I) 1518 bei Campori, Tiziano e gli Estensi S. 6.
64 Campori, Tiziano etc. S. 6.
und
Fcbr.