Volltext: Tizian (Bd. 1)

Hi 
TIZIAN 
STAATSDIENST. 
CAP. 
Künstler seiner Zeit zu versammeln, und wir werden sogleich 
sehen, wie es ihm durch Anwendung von Drohungen und Schmeiche- 
leien gelang, wenigstens einen Theil dessen zu erreichen, was er 
ersehnte. Zunächst lud er den alten Bellini nach Ferrara ein, 
wo dieser ein Bacchanal malte, dann nahm er Tizian in seinen 
Dienst und schliesslich plagte er Rafael dergestalt, dass seinen 
Agenten in Folge dessen der Zugang zu dem Maler möglichst er- 
schwert wurde. Der Unternehmungsgeist des Herzogs, sein Enthu- 
siasmus, seine Grossmuth und Reizbarkeit treten bei der Beobach- 
tung seines Verfahrens diesen Meistern gegenüber in helles Licht, 
und kaum wissen wir, was mehr zu bewundern ist, ob die kühle 
Ruhe, mit der Rafael und Tizian des Herzogs Begierde mit Ver- 
sprechungen reizten und mit Verzögerung kränkten, oder die 
schlaue Manier, mit der Alfonso ein Trik-Trak von kleinen Intri- 
guen spielte und seine Pfeile abwechselnd gegen Rom oder Venedig 
abschoss in der Hoffnung, endlich an das Ziel seiner Wünsche zu 
kommen. 
Aus der gediegenen Ueberlieferung der älteren Schulen hatte 
Tizian die Gewohnheit übernommen, seine Bilder nicht als heimath- 
lose Staffeleiprodukte für sich, sondern mit Rücksicht auf die Orte 
zu malen, für welche sie bestimmt waren. Nachdem er die Gegen- 
stände entworfen und angelegt hatte, soweit dies in der Werkstatt 
zu Hause möglich war, nahm er die Leinwand mit an ihren künf- 
tigen Aufbewahrungsort, um sie dort zu vollenden." Auch Giovanni 
Bellini, der es wahrscheinlich ebenso zu machen pflegte, nahm 
das jetzt auf Schloss Alnwick befindliche Götter-Bacchanal mit 
nach Ferrara und brachte dort einige Tage mit dessen Vollendung 
zu. In des Herzogs Rechnungen finden wir einen unter dem 
24. Novbr. 1514 eingetragenen Posten, der dem Maler 85 Dukaten 
zuweist und bestätigt, dass das Werk „angesichts des Bestellers" 
(instante domino nostro) vollendet wurde. 48 Trotzdem erzählt 
47 Die Belege hierfür werden wir weiterhin noch reichlich beibringen. 
48 Die Urkunde, in ganzem Umfang bei G. Campori, Tiziano e gli Estensi, 
S. 2, erweist zwar nicht, dass das Bild, wofür i. J. 1514 die Summe von 85 Dukaten 
gezahlt worden ist, das jetzt auf Schloss Alnwick befindliche Baechanal war, doch 
wissen wir von keinem anderen Bilde, welches Bcllini in jenen Jahren für Ferrara 
gemalt hätte; vgl. der Verff. Gesch. der ital. Mal, deutsche Ausg. V. S. 157, 188.
	        
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