Volltext: Tizian (Bd. 1)

QAP. 
DER 
VON 
HOF 
FERRARA. 
143 
kraft, welche grosse Städte wie Florenz und Venedig zu schöpfe- 
rischen Kulturmittelpunkten machte, erfreute es sich nicht; es 
hatte zwar eine eigenartige Blüthe, aber sie war künstlicher und 
exotischer Art; daraus erklarlä sich, dass die Künstler, die es 
zeitweilig hegte, meist nur Gäste gewesen sind, was ebenso von 
Bellini und Tizian im seehszehnten, wie von Pisanello und Piero 
della Franeesca im fünfzehnten Jahrhundert gilt. 
Ereole von Ferrara bewarb sich um das Bündniss Frankreichs 
unter der Regierung Karl VIII. und entging mit genauer Noth 
den Folgen der französischen Niederlage. Bei seinem Tode i. J. 
1505 liess er seinen ältesten Sohn Alfonsouals Erben eines Baar- 
Vermögens und Herrn einer Stadt zurück, deren stolze Paläste 
und bezaubernde Vorstadtresidenzen vor feindliehem Angriff durch 
ein sehlaues Befestigungssystem gesehützt Waren. Alfonso hatte 
ein fürstliehes Jugendleben geführt, hatte die Welt gesehen, ohne 
darum seine Studien vernachlässigt zu haben, und oftmals seinen 
Vater nach Venedig begleitet, um an der politischen Huldigung 
des Senats theilzunehmen und Zeuge zu sein von _der goldstrahlen- 
den Praeht des Bueintoro, wie er, über den grossen Kanal dahin- 
gleitend, seine Ladung ivon Fürsten und Senatoren am Palaste 
von Ferrara landete. Auf einer Reise naeh Florenz und Rom 
i. J. 1492 wurde er von Ercole di Giulio Grandi begleitet, einem 
Künstler, dessen Stil uns daran erinnert, dass Ferrara seine künst- 
lerische Ausbildung zum Theil der Schule von Bologna verdankte. 
Im J. 1491 war der Prinz am französischen Hofe in Lyon gewesen. 
Seine Vermählung mit Luerezia Borgia i. J. 1503 erweiterte den 
Besitzstand seines Vaters, aber sie verband ihn mit einer Frau, 
die, wenn auch "besser als ihr Ruf", ihm gleiehgiltig War. Nicht 
lange hatte er an der Spitze des Staates gestanden, als sein 
Leben durch die Verschwörung seiner Brüder bedroht wurde; er 
hielt jedoch diesem Sturme Stand und warf sieh mit überraschen- 
der Energie in die verworrene Politik jener Zeit. Durch den 
Vertrag von Cambray war ihm das linke Ufer des P0 zugetallen, 
das seine Vorfahren verloren hatten, 1509 ergriff er Besitz da- 
von, aber ehe das Jahr zu Ende ging, hatte Venedig Commaeehio 
eingenommen und einen Frieden diktiert, der die vor dem Kriege
	        
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