CAP. Y. DER SAAL DES GROSSEN RATHES.
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abliegt, indess da es im Brande von 1577 unterging, und die
Anführung des letzteren uns zu einer Beschreibung der Halle ver-
anlasst, in welcher die besten Bilder der venezianischen Schule
zur Schau standen, so verweilen wir hier einen Augenblick bei
ihrer Betrachtung.
Die Halle des Grossen Raths, 175 Fuss lang und S4 Fuss
breit, befindet sich in demjenigen Theile des Dogenpalastes, der
dem grossen Kanal gegenüber liegt, und nahm den nämlichen Platz
ein wie die jetzige Bibliothek, die in Wirklichkeit nichts Anderes
ist, als die Halle des Grossen Rathes, wie sie nach 1577 auf dem
alten Grundplan wieder aufgebaut wurde?" Von den fünf auf den
Kanal gehenden Fenstern schaut man nach San Giorgio und auf die
Giudecea hinüber. Vier Fenster auf der Parallelseite gingen auf
den Hof des Palastes; aus zwei grösseren übersah man die
Piazzetta. Mit dem Rücken an diese Fenster gelehnt, hatte man
am gegenüberliegenden Ende der Halle drei bemerkenswerthe
Gegenstände vor sich. Im Winkel rechts befand sich eine grosse
Thür, in deren Lünette Paulus der Eremit dargestellt war, wie
er einen Laib Brod mit seinem Bruder Antonius theilt. Ueber
dieser Thür und den ganzen, jetzt von Tintorettds Paradies aus-
gefüllten Raum bedeckend, war das kolossale Fresko Guarientds
angebracht: Christus auf erhöhtem Throne, seine Mutter krönend,
und zwar angesichts einer Kathedrale, die eine ungefähre Nach-
bildung der Markuskirche war; an den Flanken des Thrones die
"Hierarchieen" der Propheten auf Bänken, von Engeln bedient,
dazu monumentale Nischen, welche die Verkündigung enthielten."
Unterhalb führten fünf Stufen zu dem Podium, auf welchem der
Thronstuhl des Dogen unter dem Baldachin stand, umgeben von
den Sitzen der Rathsmitglieder. Die Seiten des Thronhimmels
36 Die Hauptwände des Saales gehen nach Ost und West, und zwar steht der
Thron des Dogen auf der Ostseite; die Wand nach dem grossen Kanal hinaus ist
die südliche.
37 Wie sehr man im Regimentc der Stadt auf Erhaltung des einmal Bestehen-
den hielt, beweist der Umstand, dass man Guarientds Krönungsbild i. J. 1524 von
einem Maler Namens Cevola herstellen liess, anstatt bei der Schadhaftigkeit des-
selben an Ersatz durch eine neuere Arbeit zu denken; vergl. darüber Lorenzi
a. a. O. S. 180.