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TIZIAN
STAATSDIENST.
durch den eindringenden Regen die Modelle des in Arbeit befind-
lichen Bildes verdorben und das Werk des Meisters gestört werden
könne?
Es ist Wahrscheinlich, dass Bcllini und Tizian "ihre Anhänger
sogar im geheimen Rath des Dogen hatten. Die „Capita" am
Tage des Erlasses von Tiziarfs letztem Patent waren Francesco
Foseari, Marino Georgi und derselbe Franeeseo de' Garzoni, unter
dessen Oberaufsicht, wie wir uns erinnern, der Fondaco de' Te-
deschi i. J. 1506 Wieder aufgebaut worden war. Im Ganzen
schien es jedoch von geringem Belang, dass die eine Partei der
Künstler einen Sieg über die andere gewinnen, oder dass Tizian
das Rechterlangen sollte, in demselben Saale mit Bellini zu
arbeiten. Der Streit zwischen den beiden Meistern verzögerte die
Arbeiten leider viel eher, als dass er sie beschleunigt hatte, und
der Rath wurde sehliesslich dahin gebracht, amtlich Kenntniss
von der Angelegenheit zu nehmen, indem er den Franceseo Valier
vom Salzamt abordnete, um über die Streitsache zu berichten
und das Verhalten der Künstler zu prüfen. Das Bild nun, welches
Valier von der Sachlage, in die er Einsicht genommen, zugeben
sich veranlasst sah, war ganz darauf berechnet, die "Weisen"
zu erschrecken was gerade noch fehlte. Er sagte in einem
kurzgefassten, am 29. December 1515 vor dem Rath verlesenen
Gutachten, es sei so viel Geld für die Halle des Grossen Raths aus-
gegeben worden, als für den Bilderschmuck des ganzen Palastes
erforderlich gewesen; es hatten also, fügte er hinzu, dreimal so
viel Werke angekauft werden können, als gegenwärtig hergestellt
worden wären. Ueberdies seien die Maler im Besitz von Ver-
leihungen und Aemtern, deren Rechnungen nie revidiert -W01'den.
Seiner Meinung nach sollte an den Rath der Pregadi die Forderung
gestellt werden, diese Rechnungen zu untersuchen und ausfindig
Zu machen, was ausgegeben sei für den Ankauf von Leinwand
und Farben, und was für die Gehälter, um auf diese Weise eine
Klarstellung der ganzen Angelegenheit durchzusetzen.
25 vgl. Lorcnzi a. a. O. S. 161. Mit weiser Sparsamkeit beschränkt der Raths-
erlass die Kosten für Ausbesserungen an Tizian's WVcl-kstatt auf fünf bis sechs
Dukaten.