Ä
TIZIAN
STAATSDÜENSl:
CAP.
setzten ihn durch, dahin lautend: dass Tiziaifs Anerbieten
mit allen daran geknüpften Bedingungen anzunehmen sei. Als
Ergänzung hierzu wurde am 8. Juni ein zweiter Beschluss auf
Befehl Pietro Le0ni's, Girolamo Priuli's und Andrea Magno's ge-
fasst, der die „pr0veditori al sal" anging, die Eribrdernisse für
Tizian in der bis dahin gewohnten Weise, ebenso wie es bei
Bellini gehalten werden sei, vorzubereiten und seine beiden
"Burschen" zu dem Satze von vier Dukaten monatlich zu löhnen
"auf die bereits geleistete Probe, dass sie dermalen an das ihnen
vertraute Werk schon Hand angelegt hatten!"
Dies nun war das Signal eines Wettkampfes zwischen den
Inhabern alter und, wie es scheint, verbriefter Rechte in der
grossen Rathshalle, einem Künstler gegenüber, in welchem die
Zunftgenossen Venedigs bereits einen furchtbaren, wenn nicht völlig
unüberwindliehen Rivalen erkannten ein Kampf, dessen Wen-
dungen wir aus so weitem Zeitabstande zwar nicht verfolgen können,
dessen Charakter aber doch aus den grimmigen Schlägen erkenn-
bar wird, die abwechselnd auf beiden Seiten fielen. Gleich einer
Mine, die unversehens platzt und jeden in ihrem Bereiche Be-
findlichen erschüttert, verbreitete dieser Beschluss der Zehn Be-.
stürzung unter den Malern des herzoglichen Palastes. Wir müssen
uns hier erinnern, dass Giovanni Belliui länger als 33 Jahre vom
venezianischen Staate beschäftigt worden. Während dieser Zeit
hatte er und sein Bruder Gentile unter gelegentlicher Mitarbeiter-
schaft Alvise Vivarinfs, Carpaccids und Anderer zwei Gemälde
an der westlichen und sechs oder sieben Gemälde an der nörd-
liehen
Wand
des
Grossen
Saales
vollendet.
Die
Fläche
der
südlichen Wand war unverändert geblieben seit den Tagen Gentile
Fabriands, Pisanellds und Guarientds, dessen ungeheueres Krö-
nungsbild noch die westliche Wand über dem Throne des Dogen
bedeckte. Lange Zeit hatte Giovanni Bellini das Patent eines
Mäklers am Fondaco inne gehabt, und seit den Tagen Alvise
L
16 Die Urkunden bei Lorenzi a. a. O. S. 157, 158.. Tiziaxfs Anschreiben be-
ginnt: "Iiävendo da puto in Vsuso io Ticiaxl de servicte (sie) de Cndoro postome ad
imparar larte de 1a pietura non tanto per cupidita del guadagno, quanto per veder
de acquistar (lualche poco di fama etc."