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JUGENDWERKE
IN VENEDIG
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gegeben. Auf der Skizze sind die Zuschauer flott und gewandt
in Feder hingeworfen und leicht in Wasserfarben coloriert, Hände
und Füsse nur mit wenigen Linien angedeutet. Alles offenbart
die vollendete Geschicklichkeit des Zeichners." Das Wandbild-
nun deckt sich allerdings im Wesentlichen (kleine Veränderungen
im Kopfputz der Figuren abgerechnet) ganz mit der Skizze, aber
wie mangelhaft sind hier die Umrisse und die Gliedmaassen ge-
zeichnet! Eilfertig ist der Künstler oder sein Gehilfe über die
Schwierigkeiten hinweggeschlüpft; der Pinsel ist zwar mit Freiheit
und Breite gehandhabt, aber auffallend nachlässig; die Farben zu
tadelloser Harmonie ohne den leisesten Missklang zusammengepasst,
aber auf Kosten des eigentlich coloristischen Reizes; stumpfe Schat-
ten, schmutzige Uebergänge treten uns entgegen; es fehlt zu-
mal dem Hintergrunde so gut wie Alles, was Tiziaifs Oel-
gemalde so entzückend macht. Von grosser Anziehungskraft ist
die Gruppe der Frauen zur Rechten der Mutter, prächtig und
durchaus giorgionesk die Gestalt des Jünglinge in grünem Wams
und roth mit gelb gestreiftem Beinkleid, kräftigen Primartönen,
die durch das gedämpfte Roth der Kappe wirkungsvoll gehoben
werden an Schwung des Vortrags ein vollkommenes Seiten-
stück zu dem Calza-Bruder am Fondaco in Venedig. Gleiche Be-
handlung zeichnet den bärtigen Mann dicht hinter dem Heiligen
wie auch den Jüngeren aus, der lebhaft auf den Wunderthäter
hinweist. Die Gewänder sind durchaus untadelig, aber alle diese
einzelnen Schönheiten geben nur dürftigen Ersatz für die sonstigen
stark hervortretenden Mängel. Vor Allem Vermissen wir die Sonne,
leuchtendes Licht und Schatten, ganz zu geschweigen der Anmuth
des landschaftlichen Beiwerkes, die auch minder. gelungene Bilder
Tizian's zu adeln pflegt.
Nun war Campagnola seltsamer Weise neben seinen übrigen
tretf liehen Eigenschaften gerade um deswillen besonders geschätzt,
weil er zu denen gehörte, welche der Landschaft einen selbstän-
digen Kunstcharakter zu geben wussten." Trotzdem ist hier weder
7' Die Zeichnung befand sich auf der Ausstellung in Manchester 1857.
Zu den besten Arbeiten Campagnolvfs wurde ein Cyklus von Landschaften