SOUOLA
DEL SAN T0.
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Geringschätzung der Auftraggeber legt aber auch die Fresken-
reihe am Santo an den Tag, wenn auch nicht so handgreiflich
wie die Malereien im Carmine. Unwillkürlich wird man an Dona-
tello erinnert, der in vorgerücktem Alter einige seiner schönsten
Schöpfungen für Padua ausführen musste, aber von dem unab-
lässigen plumpen Lobe angeekelt, sich nach Hause zurüeksehnte,
um wieder in eine erfrischende Hechel zu kommen?" Tizian macht
hier den Eindruck, als sei er zuvor über Gebühr gelobt worden;
denn seine Arbeit am Santo zeugt von einer Ermüdung und Un-
geduld, die bei einem Künstler berechtigt wäre, dem es darnaeh
verlangte, einer verdriessliohen und unerwünschten Aufgabe ledig
zu werden. Allein der Gegenstand war es nicht, was ihn ver-
stimmte. Die Ausarbeitung der Entwürfe vollendete er mit leb-
haftem Antheil, Kraft und Lust sanken erst, als er darangehen
sollte, dieselben auf die Wand zu übertragen.
Zu dem ersten Bilde der Fresken in der Souola del Santo lfadua.
ist uns Tizian's Originalskizze erhalten. Es stellt ein Wunder dar, 8221,10?
welches der heilige Antonius bewirkte, um die Unschuld einer
verleumdeten Mutter zu schützen, indem er ihrem Kinde Sprache
gab, sodass es seinen Vater bezeichnen konnte; eine trefflich ge-
dachte Gomposition, welche ausser den Hauptfiguren noch eine
Anzahl Zeugen enthält, deren lebhafte augenblickliche Erregung
überaus wahr zum Ausdruck kommt. Antonius hält knieend das
Kind, welches sich dem Vater zuwendet, auf seinen Händen. Der
Gegensatz zwischen der Ueberrasohung des argwöhnisehen Gatten
und der Tugendwürde seines zur Seite stehenden Weibes, einer
höchst stattlichen reichgekleideten Matrone, ist meisterhaft wieder-
ausgeführt waren, drohten sie nun gänzlich zu verschwinden. Die Landschaft unseres
Bildes ist sehr verblichen, der Mantel der heiligen Anna hat sieh aus Blau in
Bleigran verwandelt, die Tunika aus Braun in Grun und Schwarz; sämmtliehe, fast
lebensgrosse Figuren sind verblichen und fleckig. Campagnolcfs Duktus ist am
meisten an den hinter Anna stehenden derben Gestalten kenntlich, von denen eine
in Gelb, zwei andere in Roth und Schwarz gekleidet sind. Auch in der büuerisehen
Physiognomie der heiligen Anna selbst finden wir seine rohe Auffassung wieder
er hat ihr sogar eine Warze gegeben. Recht schwach ist sodann die in scharfer
gelber und ziegelrother Färbung gehaltene Gewandung Joaehiufs.
70 Vasari III. S. 258.
Croiwe. Tizian I. S