7JUGENDWERKE
IN VENEDIG
UND
PADUA.
CAP.
Nase, schwülstige Lippen und offenes Augef" Die Züge dieser
häufig auf Medaillen vorkommenden und überdies auch auf einem
Leinwandbild im Dogenpalaste wiederkehrenden Physiognomie
sind nicht zu verkennen. Die monotonen Lichtpartien des Flei-
sches, von warmem gelbbraunen Hauch, sind mit Lack und rother
Erde in die Halbtöne übergeleitet und hier und da durch Gegen-
wirkung von Umbra oder Terra verde gehoben, die Farben, dünn
und ohne alle Anwendung von Uebermalungen oder Lasureu auf-
getragen, verrathen ein Verfahren, das bei Tizian sonst nicht
üblich ist, der in der Regel mit sattem Pinsel aufträgt und die
Schichten so lange durcharbeitet, abtönt und vertreibt, dass sie
nur noch Lasuren und Modulationen letzter Hand bedurften. In-
dess mag der Meister, vielleicht um ein Musterstück zum Gebrauch
in seinem Atelier herzustellen, recht wohl einmal seine Praxis
der Gelegenheit angepasst und den leichten einfachen Vortrag, wie
er sich hier findet, anstatt der Manier seiner vollkommen durch-
geführten Werke in Anwendung gebracht haben. Gab er dabei
den Hauptreiz seiner für die öffentliche Wirkung bestimmten Ge-
mälde, die Reichheit und Schönheit des Tones Preis, so trat an
Stelle dessen die besonnene Klarheit und Genauigkeit der Form-
bildung und des Umrisses, und so betrachtet gebührt dem in
Rede stehenden Bilde das Zeugniss der Meisterschaft, wenn auch
bei so dünner Farbenhaut Saft und Frische stark gelitten haben.
Es ist eine kunstreiche Studie, theilweis z. B. die Hand
vollkommen tizianesk, fest und bestimmt behandelt, und trotz
des mangelnden Reizesallem überlegen, was Schüler oder Nach-
ahmer in dieser Weise leisten konnten. Behält man im Gedächt-
niss, dass Tizian, wie wir sahen, nicht nach dem Leben, sondern
nach unbeseelter Vorlage arbeiten musste, so ist kein Grund, an
seiner Urheberschaft zu zweifeln, wenn dieses Dogenportrat seinen
technischen Eigenschaften nach auch vereinzelt dasteht.
50 Das Bild ist rentoiliert und dabei sind zwei neue Leinwandstreifeu an
beiden Seiten angesetzt. Des Dogen rothe Kappe trägt den herkömmlichen Perl-
besatz, der Lappen, welcher das Ohr bedeckt, ist weiss, ebenso der Kragen. Das
gegenwärtige Maass des Bildes ist 0,97 Höhe zu 1,38 Breite.