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DER
KUNSTGESINNQE
für classischen Geberdenausdruck noch durch, an Tizian's Bildern
zeugte die Anwendung antiken Reliefschmuckes zur Flächendeko-
ration von ähnlicher Gesinnung; aber dieselbe trat doch nur noch
vereinzelt hervor und gab sich fast nur an Aeusserlichkeiten kund.
Trotzdem ist begreiflich, dass die Neuheit der durch die Pracht
ihrer Tinten die Empfindung anreizenden strahlenden Erzeugnisse
malerischer Kunst, weil sie sich doch in gewissem Grade an die
antike Formenwelt hielten, die zu allen Zeiten aufgetretene Meinung
erzeugte, die Verbindung beider Elemente sei unerlässlich zu
einem vollkommenen Gemälde. Darin haben wir vielleicht den
Kern des abfälligen Urtheils zu suchen, das dem Albrecht
Dürer bei seinem Besuche in Venedig i. J. 1506 begegnete, dem
man vielfach verwarf: er sei zwar ein guter Kupferstecher, aber
kein guter Colorist; ein guter Zeichner, aber seine Art sei
nicht nalliikiseh 4', wie er selbst es ausdrückt." Der damals noch
lebende Nestor der Schule, Giovanni Bellini, war vielleicht von
allen Venezianern der einzige Meister, welcher die alte Reinheit und
Einfachheit mit feinem Gefühl für Farbe verband. Nach ihm war
wohl Giorgione sich am meisten der Aufgabe bewusst, die Natur
nach Art der Griechen über sich selber zu erheben; Palma und
Tizian legten den Schwerpunkt ihres Strebens immer mehr darein,
Modellierung und Vortrag an Stelle des Umrisszwanges zu setzen
und das Studium der unmittelbaren Natur zur Grundlage schlecht-
hin zu machen. Dennoch erkannten die Künstler in Venedig, so
gut wie in Florenz und in Rom, etwas Grossartiges und Ueber-
wältigendes in Dürer's Genius, und der Grund dieses Eindruekes,
der in der unerbittlichen Genauigkeit und vollendeten Durchfüh-
rung von Dürefs damaligen Arbeiten lag, hatte die Folge, dass
die Venezianer, mit Einschluss Palmas und Tizian's, vor Leicht-
tertigkeit der Behandlung bewahrt blieben, welche die blosse
Farbenlust und das Spiel mit technischen Schwierigkeiten nur
zu leicht erzeugen ein Erfolg übrigens, der sich darlegen
41 s. Campe, Reliquien von Albr. Dürer, Nürnberg
der Verül Gesch. der ital. Malerei, deutsche Ausg. V. S.
Dürer, Leipzig 1876, S. 255 ff.
1828, S. 13 und 27, ferner
175 ff. und M. Thausing,