Cu. IV
DER
KRIEG
CADORE 1508.
vorsichtigen Stradioten angezündeten Feuers erhalten. Nachdem
sie achtzig Mann zum Schutze des Kastells zurückgelassen, brachen
sie hervor, um Dalviano im offenen Felde anzugreifen. Doch im
Morgengrauen schon waren von dem unermüdlichen venezianischen
Feldherrn die geeigneten Maassregeln getroffen worden. Er hatte
eine kleine Streitmacht zu seiner Linken nach Nebbiu geworfen
und stellte 800 Mann zu seiner Rechten in den Wäldern von
Monte Zucco auf, mit dem Befehl, den Feind, wenn er das Cen-
trum angriiife, von beiden Seiten gefangen zu nehmen. Der Streich
gelang. Die Deutschen rückten gegen Dalviano's Mittelstellung
vor und fielen, als dieser vorsichtig zurückwich, kopfüber in die
Falle, sodass sie ihr gesammtes Geschütz verloren, ihre Reihen
aufgelöst, die Flüchtlinge von den Stradioten niedergemacht wurden.
Die ersten Früchte dieses Sieges waren die Wiedereinnahme
Cadords, die Aufgabe Pordenonds durch die Kaiserlichen und
ein Waifenstillstand zwischen Maximilian und Venedig?" Wir werden
sehen, wie Tizian in den folgenden Jahren veranlasst wurde, die
Hauptaktion dieses Heerzuges zu studieren, in der Absicht, sie
zu einem Bilde zu gestalten. Der Stolz, den die Venezianer
darüber empfanden, war vollkommen berechtigt, denn es hatte
sich daraus ergeben, dass sie auch zu Lande glänzender Waden-
thaten fähig seien. Trotzdem ist vielleicht kein anderer Kampf
jener Zeit an schlimmen Folgen für die Republik reicher gewesen
als dieser.
Der rühmliche Antheil, den die Vecelli an dem Feldzuge ge-
nommen, blieb nicht ohne erfreuliche Rückwirkung auf die ent-
fernteren Glieder der Familie. Francesco Vecelli, der seine Zeit
durch Ausübung eines friedlichen Berufs ausgefüllt hatte, wurde
durch den Gedanken an Waffenruhm von seinem Kunststudium
abgezogen. Er gab Pinsel und Palette dran, um in der venezia-
nischen Armee Dienste zu nehmen, während Tizian, ohne dem
4" Ueber diese Vorgänge in Oadore vgl. Palatinfs Chronik von Oadore, Ciani
a. a. O. II. S. 163-189. Eine lebendige Schilderung gibt Gilbert a. a. 0., ausser-
dem sind von den Verif. verschiedene handschriftliche Quellen an Ort und Stelle
benutzt worden.