Volltext: Tizian (Bd. 1)

JUGEN DWERKE IN VENEDIG 
UND PADUA. 
und schickte sich an, mit 6000 Mann Cadore zu besetzen. Vor 
ihm lag das starke Kastell von Bottestagno, welches Verstärkungen 
aus Cadore an sich zog, und unter diesen Mannschaften befand 
sich ohne Zweifel in hervorragender Stellung Tizian's Vater Grego- 
rio, welcher die Cen-turie von Pieve befehligte. Führer des 
Truppentheils war Barnabo von Domegge, der i. J. 1500 Dalviano 
auf seiner Inspectionsrunde begleitet hatte. Von der Annäherung 
des Feindes bei seiner Ankunft in Cortina benachrichtigt, unter- 
liess Barnabo gleichwohl die in seiner Lage gebotenen Vorsichts- 
maassregeln. Er setzte voraus, die Kaiserlichen würden, da es 
mitten im Winter war, von Landro her der Strasse folgen und 
sich an den Wällen von Bottestagno abmühen; allein sie waren 
kühner als er vermuthete, und während er ruhig ihrer harrte, 
umgingen sie die Strasse von Bottestagno und bedrohten, indem 
sie den Misurina-Pass zu seiner Rechten kreuzten, seine Flanke 
bei Cortina. Barnabds Rückzug auf die „Klause't von Venas er- 
schloss dem Feldherrn Maximilians das Ampezzaner Thal, wo 
dieser, alsdann seine Streitkraft theilend, den einen Heerhaufen zur 
Belagerung Bottestagnds, den andern zur Erstürmung des Passes 
von Venas abschickte. Der Angriff auf Venas misslang zwar, da 
aber das nördlich auf den Hügeln gelegene Vinigo besetzt worden 
war, um Venas zu umgreifen, so wich Barnabo abermals aus und 
zog den einen Theil seiner Mannschaft nach der Klause von Gar- 
dona, den andern nach Pieve zurück. Hier befehligte Pietro 
Gissi das Kastell für die venezianische Republik. Auf die seitens 
der Kaiserlichen am 24. Februar ergangene Aufforderung zur 
Uebergabe ertheilte er anfangs eine verhöhnende Antwort, da ihn 
jedoch schon vor dem Angriff der Muth verliess, so berief er 
Tiziano Vecelli, Palatini und andere Häupter der Oadoriner Re- 
gierung, um mit ihnen wegen einer Kapitulation Rath zu halten. 
Ihrer Einwendungen ungeachtet übergab er dann das Kastell be- 
dillgllngslos. 
Durch solchen Erfolg ermuthigt versammelte der östreichische 
Befehlshaber die Notabeln von Cadore zu einer Berathung, in 
welcher er mit vieler Gewandtheit die Vortheile betonte, welche 
ihnen aus der Einverleibung in Tyrol erwachsen würden. Doch
	        
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