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wunderungswürdiger Kunstfertigkeit gegeben? "Während Gior-
gione glühenden Eifer und originellen Geist offenbarte, indem er
einen Pfad aufthat, den er noch für die spätere Nachwelt erleuch-
tete, entfaltete Tizian in seinen Schöpfungen einen höheren, har-
monischer gearteten Genius, der zwar anfangs an den Giorgione's
sich anlehnte, jedoch bald nachher mit solcher Kraft und Schnellig-
keit sich ausbreitete, dass er, seinen Rivalen überiiügelnd, einen
Gipfel erreicht, den kein späterer Kunstgenosse wieder erklomm.
Tizian war darin charakteristisch, dass er Fleisch malte, in wel-
chem das Blut wirklich umzulaufen schien, sodass die Kunst des
Malers in Schöpferkraft überging. Er stellte Formen von gross-
artigeren Verhältnissen, sonnigerem Impasto und einheitlicherer
Farbengebung hin als sein Nebenbuhler. Mit unvergleichlicher
Kunst verlieh er dem Carnat Zartheit durch Uebergänge in Halb-
tinten und gebrochene contrastierende Farben. Er milderte den
feurigen Schwung Giorgiones, dessen Stärke in energischer Hand-
lung, phantasievoller Bewegung und in einem mysteriösen Kunst-
griff bei Anlage der Schatten beruhte, die er tief "gegen glühend-
röthliches Licht absetzte und derart zu verschmelzen oder zu
betonen liebte, dass der Eindruck üppig blühenden Lebens
entstand. " 30 1
Die Beziehungen Tizian's und Giorgionds während ihrer "Arbeit
am Fondaco sind von Historikern, je nach der Richtung der Zeit,
in welcher sie ihre Notizen sammelten, verschiedentlich dargestellt
worden. Nach dem Berichte Vasarfs gab der damals achtzehn-
jährige Tizian die Manier Bellini's auf, um diejenige des Giorgione
anzunehmen. Bald darauf ahrntc er den Giorgione bei dem Bild-
nisse eines Barbarigo so glücklich nach, dass nur sein Name auf
der Rückseite desselben den Beweis der Urheberschaft lieferte.
Durch Barbarigois Gunst nun erhielt Tizian in der Folge die
Erlaubniss, am Fondaco zu arbeiten? Dolce bestätigt den Vasari
29 A. Zanetti, Varie pitture, S. VI. Anm.
30 A. Zanetti a. a. O. S. VI. Anm.
31 Vasari XIII. S. 20. Ueber das im Text erwähnte Bildniss entbehren wir
des Nachweises. Die Annahme der Herausgeber des Vasari-Lem. XIII. S. 20, dass