Volltext: Tizian (Bd. 1)

Eß 
DES 
F ONDACO. 
goldete Decke, dieser eine Plafondtatelung mit Monochrombil- 
dern der Tugenden und heidnischen Gottheiten, welche Battista 
Franco i. J. 1556 gemalt hatte." Im Wintersaale pflegten in den 
Zeiten vor der Reformation Vicar und Kapitel der benachbarten 
Bartholomäuskirche an den heiligen Abenden des Epiphaniassonn- 
tags, Neujahrtags und des Christfestes ihre Gebete zu lesen. Sie 
kamen dann in feierlicher Prozession und sangen Litaneien vor 
einer Figur des Heilandes ab." Hier auch hielten zur Carnevals- 
zeit die Kaufleute ofenes Haus und empfingen mit grosser Opulenz 
die in den Fondaco zusammenströmenden Gäste? Im andern 
Raum wurde allmalig eine ansehnliche Sammlung von Gemälden 
und Fresken gebildet, die den Fondaco schliesslich zu einer 
Galerie von Meisterwerken der besten Künstler des seehszehnten 
Jahrhunderts machte. Dort hing links vom Eingange in der 
Mitte der Hauptwand der dem Tizian zugeschriebene Erlöser, der 
noch jetzt in der evangelischen Kirche Venedigs am Campo SS. 
Apostoli zu sehen ist. 2' An den übrigen Wänden befanden sich 
Allegorien von Palma, Tintoretto u. A., sowie Malereien auf ver- 
goldetem Leder von Paolo Veronese. 
Der Hauptanziehungspunkt des Fondaeo zur Zeit seiner Voll- 
endung bestand aber in den auf Staatskosten ausgeführten male- 
Venedig, 
Evaug. 
Kirche. 
21 Codex Svayer, Nr. 1190 der Markus-Bibliothek: "M556, 29 Mayo. Accordo 
con Battista de" Franchi pittor per dipingere 1a. sofita della Sala." 
22 Gegen Ende des Jahrhunderts pflegte diese Ceremonie vor einer Copie des 
Christusbildes im Sommer-Speisesaal, angeblich von Tizian, stattzutinden. Elze a. a. 0. 
23 Sansovino, Van. descr. S. 450 und Elze a. a. O. 
24 DasBild zeigt die lebensgrosse Halbiigur Christi, mit der Rechten segnend, 
in der Linken die Krystallkugel haltend (Leinw. h. 1,23, br. 0,91  Die evan- 
gelische Kirche, wo es sich jetzt befindet, war bis 1813 bekannt unter dem 
Namen Scuola dell' Angele Oustode. Als Entstehnngszeit wird das Jahr 1551 an- 
gegeben (s. Venezia e le sue lagune 1., parte II. S. 101, allein es ist sehr zweifel- 
haft, ob Tizian etwas mit der Malerei zu schaffen hat, selbst wenn wir sein hohes 
Alter in der angegebenen Zeit in Rechnung ziehen. Die Formen sind zu gemein, 
die Färbung zu künstlich, die Zeichnung nicht richtig genug, die Gewandung ganz 
besonders misslungen. Die Sicherheit des Striches und die Flottheit des Vortrags 
lassen an Tintoretto, Schiavone oder den jüngeren Palma denken, aber der etwas 
fremdartige und unitalienische Charakter der Behandlung weist wohl am ersten 
auf Tiziams Schüler Amberger, vgl. Th. Elze a. a. O.
	        
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