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geschildert
A. Weise.
XLI
Jczt erst fing Chodowiecki an , sein Künstlerleben mehr auf diesen Zweig
der Kunst zu richten. Die mannichfaltigen Versuche mit der Radirnadel, ob-
wohl für den Anfang durch unangenehme Erfahrungen erkauft, der geistreiche
Vortrag seiner Blätter, die schon zu jener Zeit die Aufmerksamkeit der Kunst-
kenner erregten, Alles trug dazu bei, ihn zu bestimmen, sich in diesem Fache
mehr ausznzeichnen. Dazu kam noch, dass, mit Ausnahme von Meil, der zwar
eine leichte Nadel führte, in der Zeichnung aber weit hinter Chodowiecki stand,
er in Berlin der einzige Künstler war, derin kleinen Darstellungen allen übrigen
den Rang streitig machen konnte.
Um diese Zeit erhielt Chodowiecki einen zu Paris erschienenen Kupferstich,
„La malhcureuse famille de Calas." Obwohl die Theilnahme für jene Unglück-
lichen beim Publikum gross war, so fand dieses Blatt doch wenig Gunst bei
demselben, weil ihm die Darstellung wegen ihrer ungünstigen Ausführung nicht
genügte. Chodowiecki theilte diese Meinung nicht, sondern er copirte dieses
Blatt in Oel, und es fand Beifall. Um aber ein Gegenstück dazu zu verfertigen,
verschaffte er sich alle auf die Begebenheit Bezug habenden Schriften, com-
ponirte jene rührende Scene, und führte sie in Oel aus. Alle seine Bekannten,
welche diese Darstellung sahen, riethen ihm , sie in Kupfer zu stechen: ein
Unternehmen, das wegen der Grösse des Gegenstandes ihn freilich hätte ab-
schrecken können. Aber es musste gewagt seyn. Er fing diese Platte 1767 an,
führte sie mit aller Sorgfalt der Nadel aus, und war eben so sorgfältig im Aetzen.
Da er aber vorher die Kraft des Aetzwassers nicht gehörig geprüft hatte, so
zeigte sich, dass beim Probedruck die Mitteltinten zu schwach, und die Schatten
zu stark erschienen. Er versuchte es daher, die Platte noch einmal mit Firniss
zu überziehen und mit der Nadel zu überarbeiten; allein der Erfolg fiel so wenig
befriedigend aus , dass er genöthigt war, die Platte ganz abschleifen zu lassen,
und sie aufs Neue anzufangen. Um ein ähnliches Missgeschick zu vermeidenh
War er bei der neuen Ausführung sorgfältiger in der WVahl seiner Striche, und
da er gleiche Aufmerksamkeit auf das Aetzwasser verwendete, so fiel der neue
Druck besser aus, obwohl aucher zweimal überäzt werden musste. Ehe die
Platte zum Druck gegeben wurde, verfertigte ein alter Franzose einige Verse
dazu, welche er unter die Platte stechen liess , die aber von den Kritikern so
angefochten wurden, dass sich Chodoxriccky genöthigt sah, dieselben aus-
Schleifen zu lassen. Er liess statt dieser sodann eine Strophe aus der Athalie
des Racine als Unterschrift stehenf)
„Um diese Zeit (1757) wurde ich mit Herrn Meil bekannt, der hier viele fürtrefliche Vignetten
und die Kupferstiche zu dem Spßßütßlllllm Nuturac et Artium verfertigte. Seine gefällige saubere
Manier hätte mich damals abschrecken können, weiter zu gehen, oder anspornen, seine Manier nach-
zuahmen: aber ich habe immer dafür gehalten: es taugc nichts, eines andern Manier oder Be-
handlung nachzuahmen. Ich sah meine Arbeiten als Zeitvertreib an, und nützte die Manier, die mir
die Natur an die Hand gab, so gut ich konnte. WVährend des Kriegs machte ich verschiedene Ge-
legßnheitsbläittchen, als: die gefangenen Russen , und andere mehr. auch ein ziemlich grosses Blatt
auf den den König zurückbringenden Frieden. Mittlerweile kam in Paris ein Kupferstich heraus:
LIZ nuzlheurezasefamille de Calus. Dieses Blatt fand hier wenig Beyfall; man war unzufrieden mit
der Erfindung, mit dem Ausdruck , mit der Ausführung, man fand es kalt, steif u. s. w. Ich war
nicht der Meinung, und suchte cs bey Gelegenheit zu vertheidigen. Ich fand Wahrheit in den
Slvllungen, und den Ausdruck der Vorstellung angemessen; nur die Behandlung missiiel mir. Ich
koPirte es in Oelfarbc, und wer nun mein Gemälde sah, versöhntc sich mit dem Kupferstich. Ich
bekam Lust, meinem Bilde ein Gegcnbild zu geben, schaffte mir alles an , was ich von gedrückten
UYkundc-n auftreiben konnte, die bey Gelegenheit der Untersuchung des Calasischen Prozesses in
Paris waren an's Licht gekommen, und sah bey Lesung derselben ein , dass die Pariser interessirt
gFWesen waren, keinen andern Augenblick zu wählen, als den, den man hier so kalt fand. Da es mir
nicht darum zu thun war, der französischer: Nation ein Complimeirt zu machen, sondern nur einen
Augenblick zu wählen, der den Anschaucr rührt, und beym Gedanken des unschuldig geräclerteir
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