Hat auch er einmal ein wenig die Wahrheit des Sprichworts von
der Wertschätzung des Propheten im Vaterland kosten müssen, so
hat er es doch auch erlebt, dass Lübeck jetzt auf seinen berühmten
Sohn stolz ist. Die zwei besten Bilder unserer Sammlung tragen
seinen Namen, das eine davon, die Segelmacher-Werkstatt, gehört
zu den Bildern, durch die sich Kühl in die erste Reihe der deut-
schen Künstler stellte. Wo von Kühl und seinen Werken gesprochen
wird, wird auch dieses Bild genannt. Haben wir schon deshalb
Ursache, auf den Besitz dieses schönen Gemäldes stolz zu sein, so
verleiht der Umstand, dass auch hier ein Motiv aus Lübeck zu
Grunde liegt, dem Bilde für uns noch einen intimen Reiz mehr.
Das Spiel des Lichtes, das durch die herabgelassenen Jalousien
bricht, ist mit einer Feinheit beobachtet, wie es die besten Meister
in der Glanzzeit der holländischen Malerei nicht besser gekonnt
haben, an den Figuren lebt Alles und die Virtuosität, mit der alle
Nebensachen behandelt sind, kann nicht übertroffen werden. Liess
uns Kühl hier einen Blick in eine Werkstatt thun, so führt er uns
auf dem zweiten Bilde auf den Chor einer Kirche, wo ein weiss-
gekleidetes, verschleiertes Mädchen an der Orgel sitzt und ein'Ave
Maria spielt. Noch mehr, wie bei den Segelnähern hatte der
Künstler hier Gelegenheit, den prickelnden Reiz seines Vortrags
zur Geltung zu bringen und man wird nicht leicht sagen können,
welchem Bilde man den Vorzug geben soll, wir wollen uns freuen,
dass wir beide haben.
Unter den jüngeren Malern, deren Wiege in Lübeck gestanden,
ist Hermann Linde zu denjenigen zu zählen, denen es bereits ge-
lungen ist, sich einen Namen zu machen. Er ist am 26. August 1863
geboren und war anfänglich Schüler der Dresdener Kunstakademie
und ging zu seiner weiteren Ausbildung nach Weimar, wo die Pro-
tessoren Alb. Brendel und M. Thedy seine Lehrer waren. Eine
Studienreise nach Sizilien und Tunis, die er 1889 unternahm, wirkte
für eine Reihe von Jahren bestimmend auf seine Kunst ein; der
sonnendurchglühte Orient in seiner schillernden Pracht und seinem
tarbenreichen Volksleben fesselte ihn so, dass er bald in Tunis,
bald in Ägypten oder in lndien seine Werkstatt aufschlug und durch
eine Reihe von Bildern, die da in der unmittelbaren Anschauung