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EMISCE
JAHRE
ANFWERPEN
UND
MAILAND.
vVOH Goethe ging ich niemals weg, ohne eine Anregung
oder eine gute Lehre mit nach Hause zu bringen. Da ich
von Zeit zu Zeit die in der Natur gefertigten Blätter, die
farbigen sowohl, als die mit Blei gezeichneten, dem ailten
Herrn vorlegte, kam ich einmal an einem Vormittage mit
meiner Mappe zu ihm. Er setzte sich an seinen gewöhn-
lichen Platz am grossen Tisch, nahm mir die Mappe ab,
liess mich neben sich sitzen, und sah ruhig Blatt für Blatt
durch, ohne einen andern Laut, als das gewöhnliche, sehr
hörbare, Hm! Beim letzten Blatt rausperte er sich, und
zwar so stark, dass ich einen Schreck bekam, und begann
folgendermasseil: Ich sehe mit wahrer Freude, dass Ihnen
die Natur am Herzen liegt, doch damit Sie sich mit ihrem
Wesen im Ganzen vertraut machen können, will ich Ihnen
einen Rath geben. In der ganzen Natur ist kein Produkt,
heisse es wie es wolle, ohne irgend eine Beziehung zu
einem anderen, in seiner Nähe stehenden. Um Ihnen ein
durchaus deutliches Beispiel zu geben, merken Sie genau
auf beisammen stehende Biiume oder geringere Pflanzen.
Die, welche dicht beisammen sind, entwickeln sich ganz
anders, als solche, welche grösseren Raum zwischen sich
haben. Auch der Boden, auf welchem sich die Pflanze
entwickelt, ist von höchster Bedeutung, daher muss der
angehende Künstler auch nach dieser Seite hin die Augen
wohl aufthtln. Ich sehe, dass Sie die Gegenstände alle
scharf charakterisiren, es sind aber herausgerissene Einzel-
heiten. Zeichnen oder malen Sie niemals irgend einen
Gegenstand allein, sondern fügen Sie stets seine nächste
Nachbarschaft bei, und wenn das oft auch nur mit ein
paar Strichen geschieht. In kurzer Zeit werden Sie schon
bemerken, wie sich Ihre Kenntniss der Natur ewveitert