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Nun
LEBI
ohne mancherlei Eigenheiten gereiften Mann richtig zu
erfassen und gauiz auf ihn einzugehen, andrerseits aber sich
in seine Kunswelt einzuleben, deren Bedeutung und NVesen
ihr bis dahin etwas Unbekanntes und Fremdes gewesen
war. Mit weiblicher Klugheit und grossem Geschick wusste
sie sich in seine Sphäre einzuleben, ihn durch Vorlesen zu
erfreuen und ihm eine anziehende und beglückende Häus-
lichkeit zu bereiten. Auch der Verkehr mit den nweib-
liehen Trabantena blieb durch sie unbeeintriichtigt, sie liess
mit gebildetem Takt altgewohnte Beziehungen bestehen,
wusste sich sogar mit ihnen zu befreunden. Und so durfte
Preller auf einen reichlichen Ersatz blicken, wenngleich
ihm Verlorenes Linvergesslich blieb.
Ueber seinen Geburtstag (1867) schreibt er an Frau
Storch: nUm Ihnen Einiges zu erzählen, muss ich mit
jennys Sorglichlteit für den Tag beginnen. Die Gute hatte
Alles in Bewegung gesetzt, um Heiterkeit und Frische ins
Haus zu zaubern , was ihr auch vollkommen geglückt, da
ich an diesem Tage, als Seltenheit, völlig gesund war. In
frühster Morgenstunde besuchte ich Mariens Grab, mir war
gar wunderbar zu Muthe, ich hörte wieder ihre liebe süsse
Stimme und empfand lebendig, dass ihr Geist mich um-
schwebte. Ihren steten Wunsch, wenn sie mich verliesse,
nicht allein zu bleiben, sieht sie jetzt erfüllt, und gewiiss
segnet sie den Bund, denn jenny ist in jeder Weise ihre
würdige Nachfolgerin. Mit einer wunderbaren Ruhe im
Herzen kehrte ich iifs Haus zurück und freute mich an
Allem, was mich erwartete. Für den Abend hatte jenny
heimlich alle Freunde gebeten, die mir nahe stehen, und
so wurden die Stunden gehaltvoll und heiter. Dass ich
meine Kinder, Sie, liebe Freundin und noch einige Ent-