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ITALIENISCH]
TAGEBÜCHER.
NEAPEL,
SORR!
ZNT:
CAPRI.
(I5. Juni.) njetzt ist das Fest auch vorbei, die Altäre
sind wieder abgebrochen und nichts erinnert mehr an
gestern. Die sich niiliernde Prozession wurde mit einer
heiteren Polka empfangen, von fünf Musikanten auf einer
brillanten Tribüne ausgeführt. Als der Priester das Aller-
heiligste hob, liel die Menge auf die Knie und ein Peloton
von Böllern begleitete diesen leierliclisten Nlonient. Vorher
führte ein einziger Sänger mit guter Stimme eine Arie,
aus irgend einer beliebten Oper, als Begleitung der Hand-
lung auf. Nachdem dieselbe Ceremonie an den verschie-
denen Altären sich wiederholt hatte, war das Fest beendigt,
von welchem Wochen lang gesprochen und was Tage
hing vorbereitet worden war. Welche Veränderungen
der Kirche jetzt auch bevorstehen mögen, ohne dergleichen
Pomp und Aufwand, der die Sinne beschäftigt, kann, nach
meiner Ueberzeugung, hier und insbesondere in Unter-
italien, keine kirchliche Handlung begangen werden. Was
auch geschehen mag, eine glänzende Aussenseite wird die
katholische Kirche in Italien immer behalten müssen. Wie
es aber möglichist, dass ein vernünftiger Mensch bei
solcher Nluninierei übertreten kann, das wird mir mit
jedem rlluge, den ich hier verlebe, unbegreillicher. Und
dennoch lassen sich so viele Beispiele illlfllllßillü.
(19. juni.) nln tinsrem Leben hier geht Alles in Ruhe
und Fleiss den gewöhnlichen Gang. Die in und um Neapel
gefürchteten Unruhen scheinen sich hinaus zu ziehen. Dort
ist Alles in völliger Ruhe, vor der Stadt liegen viele
fremde Kriegsschiffe, doch wünscht jederman, dass sich
dieser Zustand je eher je lieber ändere. Der König (Franz H.)
geniesst eine fast allgemeine Verachtung und heisst im
Volke nur: Il rngazzo senza giudizioa.