ITALIENISCHE
TAGEBÜCHER.
NEAPEL,
Sonnzzwr,
CAPRI;
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Handwerken überall zu umgeben. Fussböden, Wände,
Möbels, Geriithschaften in Zimmer und Küche, Brunnen,
öffentliche Bauten, Monumente, Alles trägt den Stempel
derselben hohen Schönheit und Heiterkeit. Unsre arme,
an Geschmack verwaiste Zeit stellt jedes künstlerisch her-
vorgelockte sogenannte Kunstprodukt unter eine Glasglocke,
unter Verschluss, oder unter den Schutz einer Schildwache,
damit es nicht beschmutzt oder entweiht werde. Damals
war jeder Mensch ein Wächter, weil er den Sinn dafür
und die Freude daran hatte. Alles war naturwüchsig, es
war Bedürfniss, heut ist es Luxus geworden. Bedenke ich
das Damals und das Heut, so überkommt mich" bei dem
letzten ein solcher Ekel und Missmuth, dass ich mich in
die dunkelste Ecke verkriechen möchte, um nichts mehr
zu sehen und zu hören a.
nGestern (17. Mai) machten wir einen Spaziergang
nach dem Grabmal des Virgil am Posilip, der in der Nähe
und aus unsrem Fenster sichbar ist. Das Originelle des
Baues verlockte uns, den Weg hindurch zu machen. Auf
der andern Seite des Berges angekommen, setzten wir un-
sern Weg nach links abbiegend fort und gelangten nach
einer Stunde an die See, Puzzuoli gegenüber. Nachdem
ich mit Friedrich etwas gezeichnet, nahmen wir eine Barke
für den Rückweg nach Neapel, passirten Scoglia di Vir-
gilio, welcher Fleck mir aus meiner Jugend als sehr schön
in der Erinnerung geblieben war. Von Neuen aber über-
raschte mich doch die Pracht und Grossartigkeit dieser
steilen Ufergegend. Ich träumte mich lebendig in die
Scenerie der Odyssee. Das Wetter begünstigte in schönster
YVeise die Fahrt, nach stundenlangem klarstem Sonnen-
schein stieg jetzt ein Gewitter mit seiner ernsten Musik