ITALIENISCHE
TAGEBÜCHI
NEAPI
an, SORRENI",
CAPRI.
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schon, ihre Bildung, Trachten, Sprache und Manieren, die
Bauart der Hiiuser und Kirchen, alles trägt einen andern
und ganz neuen Charakter. Fleiss und geschäftliche Rührig-
keit unterscheiden den Neapolitanei" zu seinen Gunsten von
dem Römer, er ist und bleibt aber eine Sclrtxvennttttnf, die
Alles über sich ergehen lässt. Der Römer hat nur fürgc-
wisse Beschiiftigttng Sinn und Neigung, er ist stolz, hat
in Allem eine gewisse Grossartigkeit, von Ansehen schön,
und in allen Bewegungen ernst und edel. Der Neapoli-
taner ist hässlich, lumpig, beweglich kriechend und zu jedem
Dienst bereit. Die Trachten des römischen Volkes sind
ernst und, einfach in Farbe und Schnitt, zweckmässig und
schön. Wo im Neapolitanischen sich noch Trachten lin-
den, sind sie oft zu reich verziert, bunt in Farben und
hässlich im Schnitt. Rom hat in allen Erscheinungen etwas
Aechtes und Ernstes, was bis auf die Form der Gebirge
und des Landes ainzuwenden ist. Alles ist positiver, in
Neapel Alles mehr Schein. Dass ich in früheren Jahren
Rom in Allem den Vorzug gegeben, hat mir mttnche Ent-
gegnung, ja Vorwurf zugezogen. jetzt bin ich dreissig
Jahre älter, habe Alles wieder und mit mehr Ruhe gesehen,
bleibe aber im Ganzen noch derselben Meinung. Neapels
blendende Schönheit, der sich theilweis nichts vergleichen
lässt, hält auf die Dauer für den Künstler nicht so aus,
wie es die einfachere römische Natur thut. Wir kehren
nach kurzer Zeit mit einer gewissen Sehnsucht nach Rom
zurück. Nach einem achttägigen Aufenthalt hier denke
ich nach Sorrento und Capri zu geheim.
Da das Wetter in den nächsten Tagen dunstig und zu
Studien und AusHügen nicht geeignet War, wurde vorerst
das Musco Borbonico tiurchwantiert. Preller zeichnet 111165