ZIÄ-
ITALIENISCHE
TAGEBÜCHER.
FLORENZ, OLEYANO,
Rom.
Anblick einer lebenden schönen Gestalt, welches Ge-
schlechts und Lebensalters sie sein mochte, sein dktgebtlch
spricht sich Wiederholt darüber aus, und es sollen Beispiele
davon noch mitgetheilt werden; er fühlte sich gleichmässig
ergriffen, wo sie ihm in der Marmorbildting der Antike
entgegentrat. Seine Vorliebe für die Skulptur ist bereits
betont worden. Beides, die Hinneigtmg zur Antike und
das Studitim derselben, so wie die Freude an der blühen-
den lebendigen Schönheit sah er auch in Railel vereinigt
und mit darauf beruhte das Gefühl der Wahlverwandtschaft
zu dem ngöttlichena Rafael.
Ein paar Aufzeichnungen seiner Freude an schönen
Menschen (ein Zauber, zu dem er auch seinen kleinen Kreis
gleichsam erzogen hatte) gehören schon diesen ersten
Monaten in Rom an. vDes Morgens zeichneten Ernst und
Friedrich Modell und da sich noch ein Plätzchen fand,
machte ich den Dritten in ihrem Bunde. Das Modell, ein
Mädchen im vierzehnten Jahre, ist Neapolitanerin und sehr
schön. Sie ist schon drei jahre hier, aber noch so natür-
lich unverdorben, als käme sie soeben aus den Bergen.
Marie ist ganz verliebt in das liebliche Geschöpfchen und
hat sie mit einem rothseidenen Tuche beschenkt, womit
sie sich sogleich schmückte und in ihrer schönen Sprache
sich bedankte. Unbegreiflich ist es, dass diese Leute, denen
ihre Schönheit gewiss oft versichert wird, keine Spur von
Eitelkeit besitzen. Reichthum allein gilt ihnen als ein Vor-
zug, die Schönheit scheint ihnen Wenig werth zu sein a.
nAm Morgen des heutigen Tages hatten wir einen
schönen Knaben gezeichnet, der so reizend ist, dass wir
Alle in ihn verliebt sind. Wo träfe man bei uns atuch eine
so noble Erscheinung. Der Bengel ist zwölf Jahre, lieblich