Volltext: Friedrich Preller

ITALIENISCHE 
TAGEBÜCHER. 
FLORENZ, 
ZVANO, 
RoM 
207 
rechten Seite. Bewegung, Zeichnung, Draperie und Auf- 
fassung der Form, alles ist bedeutender als in der linken 
Seite. Sonderbar ist, dass links die erste Figur sehr blond, 
die jüngste, rechts die letzte und älteste und die dazwischen 
stehenden von vorgerückten] Alter sind und so die beiden 
Enden verbinden. Der Ton ist sehr warm und schön, 
erinn ert 
mich 
aber 
211] 
keine 
Farbe 
im 
Vatican u. 
(Sonntag 27. Nov.) nlch habe bei Beschattung Ra- 
faelischer Werke oft geforscht, worin es wohl liegen kann, 
dass er so viel plastischer ist, als alle Uebrigen, und bin 
zuletzt auf mancherlei gekommen, worin er sich von Allen 
einzig unterscheidet. Die Madonna von Foligno sowie der 
Violinspieler haben mich zuletzt in meiner Ansicht bestärkt. 
Zuerst ist wohl ein Grund, dass ausser Michelangelo kein 
K ünstler der Form und des menschlichen Körpers so mächtig 
ist, als Rafael, er modelirt daher nirgends flau oder sucht 
sich durch Details zu helfen, sondern geht stets auf die 
grosse, die Sache bezeichnende Form mit Energie los. 
Nichts ist darin mangelhaft, alles vollkommen und fest 
ausgesprochen. Das zweite sehr Wesentliche ist, dass er 
den Lokalton durch alle Nüancen festhält, ihn in den 
Schattenpartieen nie durch Reflexe schwächt, sondern die 
ganze Kraft des Schattens wirken lässt. Er unterscheidet 
die Schatten unter der Luft oder in geschlossenem Raum 
wohl, durch warm oder kalt, aber stets ist der schattige 
Theil in voller Kraft und trennt sich leichter und ener- 
gischer von den daran oder dahinter stehenden Gegen- 
ständen. Ein Drittes ist, dass er in Allem den Lokalton 
sehr entschieden nimmt und nicht, wie viele andre, selbst 
grosse Maler, die Farbe zu sehr bricht, sondern ihr ein 
gewisses, aber bescheidenes Feuer lässt. Ob ich mit die-
	        
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