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Der Platz war in der Nähe eines alten byzantinischen
Klosters; die Gesellschaft lagerte auf Teppichen-und
unter Zelten. Etwa vierzig georgische Damen, darunter
einige berühmte Schönheiten, waren in vollem National-
kostüm erschienen. Hier sah er zuerst die Tänze der
Georgier und hörte ihre nach europäischer Meinung
verwunderliche Musik mit echt orientalisch und uralt
klingenden Gesängen. Auch Widderkämpfe gab es;
zwischendurch produzierte sich ein Seiltänzer auf achtzehn-
Fuss hohen Stelzen. Dabei wurden viele wGesundheitem
ausgebracht und aus silbernen Löffeln und grossen
Hörnern der vortreffliche Kachetinerwein getrunken
die Gesandten, welche im_Auftrage des byzantinischen
Kaisers Theodosius an das HoHager des Hunnen-
königs Attila entsendet wurden, mochten ehedem
wohl mit ähnlichem Staunen das fremdländische Zere-
moniell und die asiatische Fröhlichkeit betrachtet haben.
Unter den Damen lernte Horschelt auch die geor-
gische Fürstin Dsehewdsehewadze kennen, dieselbe
welche etwa vier Jahre früher mit ihrer Schwester, der
Fürstin Orbeliani, in Zinandal von den Lesghiern
überfallen und zu Schamyl in Gefangenschaft geschleppt
worden war. 42) Sie erzählte dem Maler ihre Geschichte.
Als die schrecklichste Erinnerung hob sie den Moment
hervor, wie ihr nach tagelangem Reiten der Arm, in
welchem sie ihr jüngstes Kind hielt, endlich so lahm
und gefühllos geworden sei, dass ihr dasselbe gerade
auf einer schmalen Bergkante entglitt und über hohe
Felsen hinabstürzte, und wie sie trotz aller Bitten nicht
anhalten durfte, sondern weiter getrieben wurde. Sie
war eine geistreiche Dame, welche Französisch, Deutsch
und Russisch wie ihre Muttersprache behandelte, auch
in Musik und Klavier eine ganz europäische Bildung
besass.
Wrewsky empfing den Maler überaus freundlich
und behandelte ihn wie einen Offizier seines Stabs.
Horschelt, welcher hier viele Kunstgenossen zu
finden erwartet hatte, da ein Kampf gegen diese unbe-