KOMPOSITIONSMITTEL. BILDENTSTEHUNG. BILDER 69
E
der zur Verfügung stehenden voll ausgenutzten Mittel empfun-
denen Anschauung samt allen sich anschliessenden Ideen-
associationen . . so etwa sagte ich.
„Na ja", sagt Böcklin, „und dann muss es noch eine ge-
schlossene dekorative Wirkung üben. Es muss nicht nur eine
Empfindung ausdrücken, sondern auch etwas Prachtvolles sein,
das Schönste, Herrschende in dem Raum, in den es kommt."
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Auch Böcklin hat immer etwas zu erzählen: „man muss
immer etwas zu erzählen haben", es klingt wie ein Märchen,
wie eine Romanze aus seinen Bildern aber das ist nur in
sogenannte Handlung übersetzte Stimmung der Natur, die er
belauscht, er spricht das Gleiche noch einmal aus, um seine
Erklärung schlagender, seine künstlerische Naturbelebung um
so deutlicher zu machen.
Ein Bild ist wie ein Sonett. Welche Menge von Erfahrung,
geübtem Gehör, Geschicklichkeit gehören dazu, wieviel Vorstel-
lungen und Ideenverbindungen müssen dem Maler im Moment
zuschiessen resp. gegenwärtig sein, sozusagen ungetrennt,
wenn er nicht hölzernes leeres Gereimsel machen will.
Zur „Veritas'"k) die sich enthüllt: „Dorthin allein muss
das Auge; denn nur dort in dieser Bewegung liegt der Sinn
des Bildes. Der erste Blick muss dort gefesselt und das Bild
klar werden. Ich finde jetzt, wo sie fertig ist, dass ich sie zu
weit entblösst habe, das Auge wird abgelenkt und nicht ge-
zwungen." (Zürich 1885.)
(Spätere Notiz): Er hatte eine „Veritas" gemalt, die sich
enthüllt, fertig. Sie hatte sich schon zu weit enthüllt. Der
Blick wurde nicht mehr auf die {Enthüllungsbewegung hin-
gezwungen, sondern hatte zu viel Spielraum nach unten. Farbe,
Helligkeit und Gedanke sollten aber überall gleich sich decken,
zweckbewusst zusammenarbeiten. Am andern Morgen war das
ganze lebensgrosse Bild abgekratzt und das leere Brett stand
Vergleiche
die
"Veritas"
VOII
1881,
Böcklinwerk
Band