KOMPOSITIONSMITTEL. BILDENTSTEHUNG. BILDER 65
besteht, was in der Natur kaum oder nur durch ausserordent-
lichstes zufälligstes Zusammentreffen denkbar ist.
Dazu kommt noch das erhebende Gefühl, dass dies von
seinesgleichen gewollt und gekonnt ist und kein Zufall.
Das beste Kunstwerk wird man daran erkennen, dass die
Kontraste alle in der Vorstellung, die ausgedrückt werden sollte,
notwendige Faktoren sind.
Wie unlebendig, wie langweilend ist eine direkte Wieder-
holung, sind zwei gleiche Dinge nebeneinander, besonders für
das Auge (sie können ja unter Umständen gerade durch Häufung
für den Kontrast arbeiten), wenn der Kontrast ausbleibt oder
nicht berechnet ist. Zwei Finger gleich lang, zwei gleichartige
Falten, zwei ganz ähnlichwertige Farbentöne und wie müde
wird der Beschauer! Also hält man das Interesse nur wach,
flösst ihm nur Leben ein durch Kontraste, Gegensätze in allem,
in jedem Sinn gespannt und schlaff, blank und stumpf,
Hüssig und fest, hinaus und hinein etc., von den grossen: viel
und wenig, ruhig und unruhig, horizontal und vertikal, lang
und kurz, breit und schmal, hell und dunkel, erregend und
neutral garnicht zu reden.
(Z. B. Durch daneben gesetzte Unruhe macht man das
Ruhige umso ruhiger, gewinnt das Mittel, es mehr ausführen
zu können, ohne diese Ruhe zu schädigen, also sie in diesem
ihrem nötigen Wesen zu beeinträchtigen und zugleich das Auge
zu dieser Ruhe und Wirklichkeit, als der Hauptsache, hinzu-
führen.)
Ein Satz Böcklins: „Sehen Sie, es kommt darauf an, dass
die Nachbartöne ihn (einen wesentlichen Ton) nicht schwächen,
sondern stärken, so kräftig wie möglich machen. Die Skala
unserer Palette ist kurz, aber sie kann, mit solchem Bewusst-
sein beherrscht, das scheinbar Unmögliche an Licht und Raum
schaffen."
„Im Gegensatz liegt die Kunst", sagt Victor Hugo.
Übrigens wissen das die Welt und die Jahrtausende und
verstehen sich darin. Da liegt ein persischer Gebetteppich, an
dem ich täglich meine Freude habe. Da ist bald etwas ver-
schwommen, etwas Scharfes daneben -prachtvoll bloss. Und das
ist aus einem andern Weltteil, einem andern Jahrhundert, von
einem Volk andrer Rasse für andere, fremd religiöse Zwecke
Floerke, Böcklin. 5