KÜNSTLERISCHE CHARAKTERISTIK 47
Einen unsichtbaren Inhalt eines Kunstwerks giebt es nicht.
(Conrad Fiedler.)
Aber was das Auge beginnt, das künstlerische Gestaltungs-
vermögen im Sinne der späteren darstellenden Thätigkeit durch
die Hand soweit das möglich ausreift, das wird uns,
unter Einsatz aller vollbewussten seelischen Kräfte und Hilfs-
mittel, so zielbewusst und abgeklärt lebendig gemacht, in so
klarer sprechender Bestimmtheit zu eigen gegeben, wie nur bei
den Grössten.
Ihm wachsen die Bilder nicht gedanken- und Vorstellungs-
los aus der Technik heraus, so sehr er Techniker ist.
Mit welcher alles wagenden Plötzlichkeit, mit welchem
Elan, mit welchem lodernden Zusammenraffen aller Kräfte er
wohl manchmal auf eine starke Empfindung, wie auf eine Hoff-
nung einer augenblicklichen Erweiterung seiner Mittel stürzen
mag, um so schnell, so viel wie möglich davon zu retten, zu er-
reichen. Wie manche geniale Farbenkumulation mag so entstanden
sein. Und im nächsten Augenblick ist er wieder ganz abwägen-
der Verstand, ganz Selbstkontrolle. Dies sein geniales Übersich-
selbsthinausgehen kann natürlich niemand von ihm lernen.
Wie oft mag er denken, oder sagen wir jedesmal, da
bin ich bei der letzten Möglichkeit angelangt, weiter haben wir
nichts: wenn ich jetzt nur noch einen Ton weiter, näher hinzu
könnte! Die Natur ist ja immer viel prachtvoller als alles
Erreichbare.
Es ist bezeichnend für den Stand unserer Kunstanschauung,
dass man überall sagt: er ist Poet! Kolorist! u. s. w. Aber
keiner achtet darauf, wie gross und bewusst er in den Aus-
drucksmitteln, im Technischen, im Material ist (woran die andern,
die ihre Farben beliebig kaufen, garnicht denken).
Er sucht fortwährend, weil er ja nicht eine Technik er-
lernen wollte, deren man eines Tages Meister sein kann, sondern
der Sache, die man, je näher man ihr kommt, immer besser
sieht, so stark und wesentlich wie möglich auf den Leib zu
rücken. Es ist entschieden ein Zeichen von Beschränktheit,