46 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE
Wenn das Rechenexempel im Kopf fertig ist, kommt es
nur darauf an, dasselbe so leicht begreiflich und deutlich dar-
zustellen wie möglich. Das ist die Novelle ä la Paul Heyse.
Das Individuelle, Persönliche liegt wesentlich in der Wahl und
Stellung der Frage, des Exempels dann im Vortrag, nicht
in Figuren und Charakteristicis. Die Wirkung, auf die es an-
kommt: das „Dämonische des Einfachen" ist fast allemal
erreicht; vieles freilich ausgeschlossen, was denn doch sein
Recht haben dürfte, auch wenn es hier keinen Platz finden
darf ebenso in der erzählenden Kunst neben den Heyseschen
Novellen, wie in Böcklins summarischen, monumental-dek0ra-
tiven, zielbewussten oder sagen wir gleich: siegreich am
Ziel jubelnden Bildern. Brandes hat darin Heyse gegenüber
gewiss die richtigen Einwendungen gemacht (Rundschau).
Glaubwürdig sein ist Böcklins erste Forderung an seine
Arbeiten. In jeder Beziehung glaubwürdig machen, was man
zu sagen hat. Er sucht so viel wie möglich von dem Reiz des
anschauend Genossenen in seine Übertragung hinüberzuretten.
Und er weiss die dafür mögliche Ausdrucksweise stets mit
lebendigem Gefühl zu finden.
Und die kleinsten Reize hat er genossen und aufbewahrt.
Man findet sie und empfindet sie überall, wo es eben geht,
ohne zu stören. Überall noch Beobachtung. Aber zu wissen,
dass ein Mensch noch ein Ohr hat, wenn er schon so seine
Wirkung thut, dünkt ihn keine Beobachtung, kein Genuss der
Mitteilung wert wenigstens.
Bei all seinem Zug nach dem Einigen, Grossen steckt die
unbegrenzte Freude an allem Lebendigen, Sichtbaren in ihm, wie
etwa bei D ü rer. Er muss manchmal, wo es nicht stört, mitteilen,
wie sehr er auch das und das noch genossen hat. Er lässt dann
all seine Anschauungsfreude spielen: dahinein und dahinein sah
ich auch noch und fand die Welt schön ohne aber je damit
der Hauptsache Abbruch zu thun, im Gegenteil, das Ganze
erheiternd oder der Genussfröhlichkeit des Ganzen entsprechend.
Sag' mir, was du von der Welt hast. Lass es mich be-
greifen, nachempfinden. Wie kommt dir der Frühling vor, der
Tag, die Sonne, das Weib, sag' mir das ganz und voll, dann
bist du ein Künstler.