KÜNSTLERISCHE CHARAKTERISTIK 35
werdende und lebendig machende Anschauungen, irgend einmal
erworben, die sich werdelustig zur Verfügung stellen), sie ver-
deutlichen ihm das Empfundene, vergrössern es, ermöglichen
ihm die Übertragung auf andere.
Dabei schliesst seine rein malerische Natur von vorne-
herein alles aus, was nicht lediglich mit den Mitteln seiner Kunst
(der Palette im weitesten Sinne) ganz deutlich zu machen ist,
ohne Rest aufgeht, irgendwelche Interessen anruft oder An-
sprüche (Captationes benevolentiae) erhebt. Schon in der Idee
will sein Bild nur den Beschauer von sich selbst befreien und
in die blosse Anschauung versenken. Alle seine Poesie und
Phantasie bewegt sich bewusst in diesen Grenzen. Sie alle
dienen nur dem Maler. Alle sind an der Hand der Natur, d. h.
aus Anschauung, Empfindung und momentaner Ideen-Association
entstanden.
Die gewaltige Naturnähe in seinen Sachen kommt von der
bewussten Beschränkung, sowohl was das Sichtbare anlangt,
als was das Zurückziehen auf den Gesichtssinn und seine Fort-
setzung "in der Arbeit betrifft.
Böcklins Talent besteht zu einem grossen Teil in der
Fähigkeit, künstlerische Erfahrungen zu machen und diese in
Fleisch und Blut aufzunehmen.
Seine nwiederholungen" bedeuten stets ein Weiter-
bilden und Ausreifen, sie werden jedesmal einfacher und schla-
gender.
Grimm redet viel von diesen Wiederholungen. Aber
weniger weil Böcklin "sich nicht losreissen konnte", sondern
weil anderen das nicht glücken wollte, und sie ihm keine Ruhe
liessen, bis er ihr Geld nahm und das Bild in neuer Redaktion
um sich nicht selbst zu langweilen noch einmal malte.
Zwei gleiche Bilder hat Böcklin nie gemalt, noch weniger sich
selbst kopiert.
Er hielt es nicht aus, gebunden zu sein, das Neugestalten
fand er viel leichter. Das beweist, wie wenig Bedeutung der
„Stolf" hat. 1
Um zu sehen wie Böcklin immer klarer geworden ist und
das für ihn Sichtbare immer mehr an Stelle des Subjektiven
(Denken, Empfinden) gesetzt hat, vergleiche man nur seine
„Wiederholungen", z. B. die toskanischen Villen, den Vinum
SÜ