VARIA 231
„aber schon
ich darin unterrichtet wurde", schreibt er irgendwo,
damals habe ich angefangen, nichts zu verstehen."
Die Allegorie, z. B. ein „Amor sacro e profane" ist
der Anteil der Zeitmode. Dass er den Maler nicht erdrückt,
sondern belebt hat, ist ein Beweis mehr für sein Genie. Das
Interesse an dem, um dessentwillen etwas gemalt geglaubt war,
kann lange tot sein und das Gemälde doch noch leben.
Dürer: „Ritter, Tod und Teufel". Für den „Forscher",
der vom Gedanken herkommt, ist es natürlich viel interessanter,
zu ertüfteln, was Dürer sich gedacht als was er gemacht. Was
er künstlerisch konnte und geleistet hat, empfindet er nicht,
weil er von den Vorbedingungen zur Entstehung eines Kunst-
werks nichts weiss, so gelangt er nur zum Versuch, den Ge-
danken zu verstehen. g t
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Die kleine Nürnberger Madonna. Nicht hölzern und
nicht steinern sieht sie aus, d. h. die Mittel sind überwunden
und das Kunstwerk ist ganz frei geworden.
Die Gotiker lassen sich doch wenigstens nie von den
Mitteln verführen, von ihrer Idee, Vorstellung, von dem, was
sie darstellen wollen, abzugeben und nur mit jenen zu prunken.
Die Italiener z. B. sofort. Sobald sie nur etwas Technisches
können: einen Arm richtig mit dem Brustansatz verbinden,
oder irgend etwas gelingt, so wird das die Hauptsache. Sie
machen einen Akt anstatt einer Vorstellung und sagen: Johannes
der Täufer.
Übrigens bis zu Dürer, der doch den Sozialisten, den
Sektierer, Fanatiker etc. in seinen Aposteln auffasst und fest-
hält, macht bei uns doch jeder seinen Nachbarn aus der Strasse
oder der Trinkstube. Immer fällt ihm wieder der ein. Man
sieht ordentlich die Leute noch hinter ihren engen Mauern
wohnen.
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Das was Herr Lessing über die „Dekoration" sagt, die
nie die „Form" zudecken solle (Frauen-Zeitung, April 1885),