Volltext: Zehn Jahre mit Böcklin

 
suchte deren verloren gegangene Wege. Den anderen ging 
das gar nichts an, er suchte sein Gesetz allein in sich, er wollte 
nur sich herausarbeiten. (Die Antiken wollten ja auch keine 
Antiken machen.) Nach Marees war ihm die Figur „nur ein 
Ornament", während jener sie wie ein Bildhauer fasste. 
Böcklin wurde dabei immer produktiver und heiterer, 
Marees immer selbstquälerischer, steriler und verbissener. 
Wenn man den gewaltigen Unterschied zwischen Böcklin 
und Marees einmal festgestellt hat, kann man sehr wohl 
von der einzigen, konzentrierten Lebensempfindung in beiden 
reden. Die Arbeiten beider sind stets die eines ganzen 
Mannes; nur ein solcher kann das machen. Ferner: bei beiden 
hilft im Bilde eins dem andern, nichts steht müssig oder der 
blossen Erscheinung wegen da. Marees wollte etwas Ganzes 
schaffen wie Böcklin, nur in ganz anderer Art, er sucht den 
lauteren Begriff herauszukristallisieren. 
Es sieht fast so aus als ob er sein Individuum gewalt- 
sam zerstört habe, wenigstens eine Menge Dinge in ihm, 
nur um "allgemein" anschauen, auffassen zu können. 
Seine Arbeiten wurden immer mehr das Wissen von 
den Sachen, Erkenntnis, Begriff. Der Genuss an ihnen wird 
daher auch immer mit sehr viel Reflexion verbunden sein. 
Marees putzt und denkt hinweg, bis er den Begriff 
rattenkahl da hat. Solange schält er daran herum, bis nur diese 
Abstraktion noch übrig bleibt. Und darin ist er das absolute 
Gegenteil von Böcklin. Dieser erzählt alles, was er davon ge- 
habt hat und hat, er spricht sich aus. Ein Stein ist ein Stein 
bei ihm, aber wirklich einer, rund herum, mit allem drauf 
und dran  mit soviel Liebe ist er angesehen. Alle Blumen, 
jedes Moos: so steht's in Böcklin geschrieben. Und das gehört 
auch zu einem, ist deutsch, klingt wie aus alten Märchen. 
(Und ich fürchte, darum werden wir intimen sinnigen Deut- 
schen in dieser harten Zeit unsere Rolle ausgespielt haben.) 
Marees sucht lediglich immer objektiver zu werden. 
Von seiner Individualität kann man nur rücksichtlich ihrer 
Trägerin, seiner Begabung und seines Willens reden. (Bei 
Böcklin umgekehrt alles Individualität, alles sein Reichtum, 
seine persönliche Weltfreude.) 
Auch Böcklin wollte vielleicht Begriffe schaffen, er
	        
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